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„Nightbirde“: Jane Marczewskis Geschichte bewegte Millionen

Als „Nightbirde“ ist die Musikerin Jane Marczewski bekannt geworden. Ihre Geschichte hat Millionen bewegt. Über das Leben, den Tod und den Glauben einer außergewöhnlichen jungen Frau.
Weg ins Licht
Foto: IMAGO / YAY Images | Die totkranke „Nightbirde“ - bürgerlich Marczewski - fand den Weg zu Gott.

Eine junge, schlanke Frau betritt die Bühne. Kurzes, hellbraunes Haar, weite Augen, ein ruhiges und doch strahlendes Lächeln. Jane Marczewski ist schlicht, schön, gewinnend, schon bevor sie anfängt zu singen. Die damals 30-Jährige nimmt 2021 unter dem Namen „Nightbirde“ an der US-amerikanischen Talentshow „America´s Got Talent“ teil. „It´s OK“ heißt ihr selbst geschriebenes Lied. Um was es in dem Lied gehe, fragt die Jury. Es sei die Geschichte ihres letzten Jahres, meint Nightbirde. Erst auf Nachfrage erklärt sie, dass sie seit einigen Jahren an Krebs leidet. Doch sie lächelt, es sei ok. „Es ist wichtig, dass jeder weiß, dass ich so viel mehr bin als die schlechten Dinge, die mir passieren.“ Dann singt sie. Die Melodie ist leicht, ein wenig fröhlich sogar, ihre Stimme klar, hell, einfach irgendwie und doch berührend. „Es ist ok. Es ist ok, wenn du verloren bist. Wir sind alle ein bisschen verloren und es ist in Ordnung.“

Nightbirde bekommt für ihre Performance einen „Golden Buzzer“ und rückt damit direkt in das Halbfinale vor. Die Jury ist bewegt von dieser jungen Frau, die mit einem einfachen Lächeln ihre so erstaunlich positive Haltung erklärt: „Du kannst nicht darauf warten, bis das Leben nicht mehr schwierig ist, bevor du dich entscheidest, glücklich zu sein.“ Zu diesem Zeitpunkt hat Jane Marczewski eine Überlebenschance von zwei Prozent.

„Jane Marczewski musste gehen und sie wusste, es ist ok.
Durch den Schmerz war sie Gottes besondere Vertraute geworden.
Sie hat nicht alles verstanden, aber alles angenommen“

Das „Mädchen mit dem Millionen-Dollar-Lächeln“, wie ihr Vater sie einmal bezeichnete, wird am 29. Dezember 1990 in Ohio geboren. Ihren ersten Songtext schreibt sie mit sechs Jahren, als sie ihrer Mutter hilft, ein Lied über den Weihnachtsstern zu komponieren. Ihre musikalischen Erfahrungen sammelt sie zunächst vor allem im kirchlichen Kontext. Später beginnt sie, Marczewski studiert inzwischen Kommunikation, auch unabhängig davon Musik zu schreiben und zu veröffentlichen. Schritt für Schritt erarbeitet sie sich einen gewissen Grad der Bekanntheit.

2017 erhält sie die erste Krebs-Diagnose: Brustkrebs im dritten Stadium. Sie wird jedoch wieder gesund und verfolgt weiter ihren Traum einer musikalischen Karriere. Noch zweimal kehrt der Krebs zurück. Nachdem sie ihn ein weiteres Mal gegen alle Wahrscheinlichkeit besiegt hatte, muss Nightbirde ihre Teilnahme an „America´s Got Talent“ nach der erneuten Diagnose abbrechen. Sie stirbt am 19. Februar dieses Jahres im Alter von 31 Jahren. Inzwischen werden auf ihrer Internetseite viele Erinnerungsstücke und Musik von ihr angeboten.

Außergewöhnliche positive Ausstrahlung und Haltung 

Nightbirdes Tod klingt wie eine Tragödie. Eine junge, talentierte Frau, die voller Zuversicht und mit einem unbesiegbaren Lächeln um ihr Leben kämpft, um dann zu verlieren? Nein, Jane Marczewskis Geschichte ist größer. Größer als ihr musikalischer Erfolg, größer als ihr frühes Sterben, ja, größer sogar als die Inspiration, die sie für viele mit ihrer außergewöhnlich positiven Haltung und Ausstrahlung war. Es ist die Geschichte einer jungen Frau, die auf der Suche nach ihrem Platz, ihrem Zuhause war, die Geschichte eines Herzens, das versucht hat, das Leben und das Leiden zu verstehen, ohne auf alles eine Antwort zu erwarten, einer Seele, die mit Gott gerungen und ihn an ihren tiefsten Punkten gefunden hat. Der Krebs war nur einer davon.

Mit 24 Jahren hatte Jane Marczewski Jeremy Claudio, einen „Puerto Ricaner aus Brooklyn“ geheiratet, ebenfalls ein Musiker und Künstler. „Aber ich liebe dich immer noch“, flüstert sie, als er ihr 2020 mitteilt, dass er sich scheiden lassen möchte, und: „Ich hätte dich für immer geliebt“, bevor sie im Gerichtssaal ein letztes Mal mit seinem Nachnamen unterschreibt. Jane Marczewskis Leben ist aus den Fugen, es hat seine Form verloren, so plötzlich wie ein Tongefäß, bei dem der Töpfer eine falsche Bewegung beim Bearbeiten auf der Drehscheibe macht, so beschreibt sie selbst es. Die Zukunft mit dem Mann, den sie liebt, ihr eigenes Leben, alles zerbricht.

„Zählt mich auch zu den Freunden Gottes“

„O großer Geschichtenschreiber, hast du irgendwo Platz für ein Mädchen für mich?“, betet sie in einer Nacht, in der sie vor Schmerzen und Atemnot nicht schlafen kann. Gott hat Platz für Jane Marczewski – und es scheint, dass sie das in einer dem Leiden ganz eigenen Tiefe erfahren durfte. In kleinen, unscheinbaren Gegebenheiten und Ereignissen entdeckt die junge Frau seine Antworten, sein „Es tut mir so leid“ für all ihre Schmerzen, seine Erinnerungen daran, dass das Leben trotz allem schön ist. „Ich bin noch nicht so weit gekommen wie ich wollte, damit, zu verstehen, was im letzten Jahr passiert ist. Aber es gibt eine Sache, die ich weiß: wenn Leiden kommen, dann nimmt Gott sie meist nicht weg. Stattdessen fügt er etwas hinzu. Er ist mehr ein Gebender als ein Nehmender. Er nimmt mir nicht meine Dunkelheit, er fügt Licht hinzu. Er bewahrt mich nicht vor dem Durst, er bringt Wasser. Er heilt nicht meine Einsamkeit, er kommt nah. Warum also glauben wir, wenn wir leiden, dass das heißt, Gott sei weit weg?“

Gott ist da, das ist Marczewskis existenzielle Erfahrung. Und doch ist ihr Glaube oft ein Kampf. „Es gibt Zeiten, da frage ich mich, was ich getan haben muss, um so eine Geschichte zu verdienen. Manchmal fürchte ich, wenn ich sterbe und Gott begegne, dass er mir dann sagt, ich hätte ihn enttäuscht oder beleidigt oder ihn im Stich gelassen. Vielleicht wird er sagen, ich habe meine Lektion nicht verstanden oder dass ich nicht dankbar genug war.“ Aber er wird nicht sagen können, sie nicht gekannt zu haben, fügt sie an. „Nennt mich verbittert, wenn ihr wollt – das ist fair. Zählt mich zu den Zornigen, den Zynischen, den Beleidigten, den Verhärteten. Aber zählt mich auch zu den Freunden Gottes. Denn ich habe ihn in seltener Form gesehen. Ich habe seinen Atem gespürt, in seinem Schatten gelegen.“

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Auf dem Badezimmerboden zu Gott gefunden

Sie hat seine Botschaft zwischen den Fliesen des Badezimmerbodens entdeckt, auf denen sie ganze Nächte ihrer Krankheit zugebracht hat: „Ich bin auch traurig“, schien er zu sagen. Marczewski lernt, Gottes Geschenke zu entdecken. Nicht die, um die sie gebeten hatte, sondern andere, seine eigenen. Und nachdem lange Zeit Tränen ihr einziges Gebet waren, lernt sie nun ein neues: danke. „Es ist ein Gebet, das ich noch nicht so meine, aber ich werde es wiederholen, bis ich es tue.“

Nightbirde hat ihren Weg gefunden, eine Straße, die mitten durch das Leid führt und doch voller Gnade und erfüllt ist von Gottes stiller Gegenwart. Auf einer Reise von Ohio nach Los Angeles, mehr als 2000 Meilen, die sie gemeinsam mit ihrem Bruder, diesmal nicht per Flugzeug, sondern mit dem Auto, zurücklegt, sagt sie ein „feierliches Ja“. Sie möchte nicht mehr versuchen, die Dinge zu umgehen, zu überfliegen. Sie will den langen Weg gehen. Es ist wie eine Versöhnung mit dem Schmerz, ein Akzeptieren der Gegebenheiten, wie sie sind, ein Annehmen der Geschichte, wie Gott sie schreibt. Ein Annehmen auch der Traurigkeit, des Nichtverstehens, all der unangenehmen Gefühle, die das Leid mit sich bringt. Es sei „eine heilige Arbeit“, durch all das hindurchzugehen, überlegt Marczewski im letzten Video vor ihrem Tod. „Nur weil du traurig bist, heißt das nicht, dass du nicht dankbar bist… Sei traurig und sei dankbar.“

Ein ruhiges und intensives Leuchten

Vielleicht ist diese Haltung der Grund für das ruhige und doch so intensive Leuchten dieser jungen Frau. Nicht sehen und doch glauben. „Nur weil es ein Geheimnis ist, heißt es nicht, dass es keinen Sinn hat. Manchmal bedeutet ein Geheimnis, dass dort mehr Sinn ist, als wir überhaupt verstehen können.“ Vermutlich hat auch die Geschichte von Nightbirde mehr Sinn als es scheinen mag. Vielleicht war ihr Tod eine Tragödie, doch er war ebenso der letzte Schritt einer wunderschönen Reise.

Wenn sie brechen müsste, dachte sie einmal, dann sollte es so sein wie bei den Wellen des Ozeans, ein kurzes Zersplittern in Milliarden glitzernder Tropfen um dann zurückzufallen in das eine Ganze. „Vielleicht bedeutet mein Brechen, dass ich endlich nach Hause komme.“ Jane Marczewski musste gehen und sie wusste, es ist ok. Durch den Schmerz war sie Gottes besondere Vertraute geworden. Sie hat nicht alles verstanden, aber alles angenommen. Und mit ihrem Leben hat sie eine Spur hinterlassen, die auch vielen anderen den Weg zeigen kann. Durch das Schwere hindurch. Nach Hause. Mit einem unbesiegbaren Lächeln.


www.nightbirde.co

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