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„Alles hinterfragen und selbst denken“

Der Kongress Christlicher Führungskräfte setzt sich in Karlsruhe mit dem Vertrauen in Medien auseinander. Mit dabei ist auch der Politikjournalist Ralf Schuler. Er setzt auf mündige Nutzer und warnt vor zu viel Regulierung.
Politikjournalist Ralf Schuler
Foto: IMAGO/Chris Emil Janssen (www.imago-images.de) | Unbequemer Geist: Politikjournalist Ralf Schuler.

Kann man den Medien überhaupt noch trauen? Der derzeit in Karlsruhe stattfindende Kongress Christlicher Führungskräfte, eine Veranstaltung der evangelischen Nachrichtenagentur IDEA, geht dieser Frage im Rahmen einer Podiumsdiskussion nach. Mit dabei: Ralf Schuler, ehemaliger Leiter der Bild-Parlamentsredaktion, heute bei Nius. Schuler, der wegen ideologischer Vereinnahmung bei der Bildzeitung kündigte, hat sich auch als Kritiker seines eigenen Berufsstandes einen Namen gemacht. Wir haben ihn vorab interviewt.

Herr Schuler, was wird Ihr Fokus in der Diskussion sein?

Mit Medien ist es wie mit Kartoffeln oder Hackepeter: Man muss als Kunde und Konsument selbst eine Auswahl treffen und sich eine Marktübersicht verschaffen. Oder anders gesagt: Ohne ein Mindestmaß an Medienkompetenz wird es nicht gehen. Ein gesundes Maß Menschenverstand, Lebenserfahrung und ganz grundsätzlich Zweifel können nicht schaden. Ansonsten war die Medienvielfalt wohl noch nie so groß wie heute und bietet zumindest die Chance sich umfassend zu informieren. Eines ist mir aber besonders wichtig: Ich setze ausdrücklich auf Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt und halte nichts davon, Meinungen von wem auch immer vorsortieren zu lassen. Strafbare Inhalte (Beleidigung, Verleumdung, Aufruf zu strafbaren Handlungen etc.) sind strafbar, alles andere sollte erlaubt. Meinungsfreiheit lebt von mehr Freiheit, nicht von weniger. Rufen nach Regulierung begegne ich mit äußerster Skepsis.

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Wie bewerten Sie den aktuellen Vertrauensverlust in die Medien?

Seit der Aufklärung gehört Zweifel zu den Tugenden des Abendlands, alles zu hinterfragen und selbst zu denken anstatt blind zu vertrauen, halte ich deshalb für ganz normal im Umgang mit Medien. Vertrauensverlust entsteht aus meiner Sicht vor allem durch Einseitigkeit und ideologische Scheuklappen. Der größte Vertrauensverlust betrifft derzeit die öffentlich-rechtlichen Medien, weil sie mit einer Zwangsgebühr finanziert werden und sich deshalb einem besonders hohen Neutralitätsanspruch gegenübersehen, dem sie häufig nicht gerecht werden. 
Künstliche Intelligenz produziert zuweilen gezielte Falschmeldungen und Täuschungen, denen man mit wachen Sinnen allerdings durchaus begegnen kann.

Welche Verantwortung tragen Journalisten heute, um Glaubwürdigkeit und Wahrheit zu gewährleisten?

Journalisten sollten nicht den Eindruck erwecken und vor allem sich selbst nicht vormachen, die Wahrheit zu verbreiten. Wer glaubt, die Wahrheit auf seiner Seite zu haben, gerät leicht ins Missionieren und Agitieren. Glaubwürdigkeit gewinnt man ehesten durch Transparenz der Quellen, klares Argumentieren und im besten Falle Nahbarkeit im Kontakt mit den Mediennutzern. Ich habe es immer wieder erlebt, dass man sich selbst mit kritischsten Lesern, Zuschauern oder Zuhörern verständigen kann, wenn man ihnen antwortet und den Kontakt nicht scheut. Das macht die Arbeit nicht leichter, aber verständlicher.

Wie können Leser lernen, Medien kritisch zu hinterfragen?

Genauso, wie sie lernen, in anderen Lebensbereichen zu vergleichen, zu prüfen und nicht blind zu glauben, was Werbung und Vorbeter versprechen. Und: Wer sich und seinen eigenen Kosmos bei bestimmten Medien gut aufgehoben und bestätigt findet, der soll und kann damit glücklich werden. Machen wir uns nichts vor: Viele Mediennutzer suchen vor allem Bestätigung ihrer eigenen Weltsicht. Das ist nicht verwerflich, wenn trotzdem offen bleibt für Debatten und Austausch mit anderen Meinungen.

Welche Faktoren haben aus Ihrer Sicht zum schwindenden Vertrauen in klassische Medien geführt?

Die Hauptursache liegt aus meiner Sicht in einer sich selbst organisierenden Einseitigkeit, die allen Kreativbranchen eigen und eben auch im Journalismus zu finden ist. Journalisten sind mehrheitlich progressiv, links-grün, was kein Problem wäre, wenn sie sich nicht gleichzeitig für repräsentativ hielten. Neben einem gewissen Hang zum Missionieren und zur Weltverbesserung liegt ein großes Problem darin, die Welt selektiv wahrzunehmen im Dienste eines höheren Zwecks, etwa Migranten-Kriminalität wegzulassen oder statistisch zu relativieren und eine Welt abzubilden, die mit der erlebten Realität der Bürger nicht mehr in Einklang zu bringen ist.

Welche Rolle spielen ethische Standards und christliche Werte für eine verantwortungsbewusste Medienarbeit?

Es klingt banal, aber ein intakter menschlicher Kompass ist auch im Journalismus die Grundlage von allem: Themenauswahl, Umgang mit Partnern, Politikern oder Lesern und vor allem für die Fähigkeit zur Selbstkritik und Selbstinfragestellung.

Wie kann der Journalismus verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen?

Im Internetzeitalter sind Journalisten nahezu immer und überall erreichbar und auf Plattformen präsent. Je zugänglicher und offener mit der eigenen Kundschaft umgeht, desto leichter fällt es, von den Nutzern ernstgenommen zu werden, selbst wenn es unterschiedliche Meinungen gibt. Und: Man sollte sich in die Wahrnehmung anderer hineinversetzen und sich immer klarmachen, dass die Wahrnehmung Realität ist.

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