Man stelle sich folgende Szene vor: Ein Mann schaut die Nachrichten im Fernsehen und regt sich über einen Plan der Regierung auf. Weil das Thema gestern Abend beim Kegeln auch schon besprochen wurde, macht er seinem Ärger in der WhatsApp-Gruppe des Kegelvereins Luft. Eine Woche später kommt eine Strafanzeige wegen Hasskriminalität. Es folgt ein Prozess und eine Geldstrafe. Eine fantasievolle Dystopie? Nicht, wenn es nach den Plänen des liberalen Bundesjustizministers Marco Buschmann geht. Dieser plant nämlich eine Novellierung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, mit dem der Staat auch in die privaten Chats der Bürger auf Diensten wie WhatsApp oder Threema blicken und vermeintlich strafbare Äußerungen ahnden können soll.
Meinungsfreiheit am Ende
Ein solcher Eingriff wäre das faktische Ende der Meinungsfreiheit, denn von der Eingriffsmöglichkeit bis zu ersten staatlichen Übergriffen ist es nur ein kleiner Schritt. Wer sich an totalitäre Staaten wie die DDR erinnert fühlt, liegt gar nicht verkehrt. Aber Erich Honecker, Erich Mielke und Co hätten von den technischen Möglichkeiten unserer Tage nicht einmal träumen können. Nimmt es sehr genau, dann ist die verpflichtende Verwanzung des eigenen Wohnzimmers nur eine vorinstallierte App auf jedem Smartphone entfernt. Alexa und Siri haben auf kommerzieller Ebene bereits Pionierdienste geleistet. Schon jetzt hört der freundliche Onlinehändler mit, demnächst lauscht auch der große Bruder.
Das Meldeportal steht bereit
Sie vertreten eine nicht strafbare aber verpönte Meinung zu Gender, Klima, Migration? Schon jetzt kann man das bei einem mit Steuergeldern geförderten Denunziationsportal unter Federführung der umstrittenen Amadeu-Antonio-Stiftung unliebsame Meinungen anschwärzen. Später muss man nur noch die Handynummer des Chatpartners eintragen, den Rest erledigt der Geheimdienst ihres Vertrauens. Dass die Dystopie ausgerechnet unter einem zumindest nominell liberalen Justizminister einen gewaltigen Vortrieb erhält, ist nur eine Fußnote des fortschreitenden gesellschaftspolitischen Irrsinns. Der Minister schreibt ein Gesetz seines sozialdemokratischen Vorgängers Heiko Maas fort, welches schon damals als verfassungswidrig galt. Hoffnungen auf eine Intervention der Verfassungsschützer in Karlsruhe sind leider ebenso vergeblich wie die Hoffnung auf eine wirksame Opposition oder eine kritische Presse. Der Weg in den Überwachungsstaat mit beschränkter Meinungsfreiheit scheint nach jetzigem Stand nicht mehr aufzuhalten zu sein.
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