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Martina Gedeck, die Vielseitige, wird 60

Raffiniert und tiefgründig: Zum 60. Geburtstag der Schauspielerin Martina Gedeck.
Martina Gedeck in „Oktoberfest 1900“
Foto: ARD | Martina Gedeck in einer ihrer bislang letzten Rollen: Als Maria Hoflinger, Eigentümerin einer Münchner Traditionsbrauerei, im ARD-Sechsteiler „Oktoberfest 1900“

Eine Gourmet-Köchin, die in ihrer Arbeit so sehr aufgeht, dass in ihrem Leben kein Platz für irgendetwas anderes zu sein scheint, die aber durch einen Schicksalsschlag plötzlich für ihre achtjährige Nichte Verantwortung übernehmen muss. Mit der Rolle der Martha Klein wurde Martina Gedeck in Sandra Nettelbecks „Bella Martha“ (2001) weltberühmt. Der Welterfolg des Filmes führte dazu, dass Hollywood unbedingt ein Remake drehen wollte. „No Reservations“ („Rezept zum Verlieben“, 2007) erreichte jedoch bei weitem nicht die Subtilität des Originals. Dies lag nicht nur an den konventionellen Bildern von Regisseur Scott Hicks – Nettelbeck ging mit Klischees unvergleichlich gekonnter um. Der ganz große Unterschied zwischen Original und Kopie lag in Martina Gedecks raffinierter Darstellung der Widersprüchlichkeit in Marthas Figur im Unterschied zum plumpen Spiel von Catherine Zeta-Jones.

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Die Rolle als Spitzenköchin war ein großer Wurf

Als der am 14. September 1961 geborenen Martina Gedeck mit „Bella Martha“ der ganz große Wurf gelang, war sie allerdings bereits 40 Jahre alt, und hatte in mehr als vierzig Fernseh- und Kinofilmen, darunter in den bekanntesten deutschen Serien der neunziger Jahre mitgespielt: „Liebling Kreuzberg“, „Adelheid und ihre Mörder“, „Die Kommissarin“, „Bella Block“ – und Filmen – „Der bewegte Mann“ (1994), „Stadtgespräch“ (1995), „Das Leben ist eine Baustelle“ (1996), „Rossini“ (1997), „Frau Rettich, die Czerni und ich“ (1998), „Grüne Wüste“ (1999).

Nach „Bella Martha“ und einem der wenigen Ausflüge ins US-amerikanische Kino („Der gute Hirte“, Robert de Niro 2006) übernahm die in München geborene und in Landshut aufgewachsene Gedeck, die als 10-Jährige mit ihrer Familie nach (West-)Berlin umgezogen war, im selben Jahr die Rolle der Schauspielerin Christa-Maria Sieland im hochgelobten, kommerziell erfolgreichen und mit Filmpreisen (darunter „Deutscher Filmpreis in Gold“, „Europäischer Filmpreis“, Oscar in der Kategorie „bester nichtenglischer Film“) überhäuften Spielfilmdebüt von Florian Henckel von Donnersmarck „Das Leben der Anderen“ (DT vom 23.3.2006).

 

 

Neben der herausragenden Regiearbeit, einer bis in die Details (etwa die Farbskala) sorgfältig komponierten Ausstattung und der ausgesuchten Filmmusik war es der Schauspielkunst des Hauptdarstellertrios – Ulrich Mühe, Sebastian Koch und eben Martina Gedeck – zu verdanken, dass die fein austarierte Mischung aus Politthriller, menschlichem Drama und DDR-Gesellschaftsgemälde mit dem Zusammenprall zwischen dem Künstlermilieu in der DDR und dem Überwachungsapparat der Staatssicherheit Mitte der achtziger Jahre zum „besten Nachwende-Film über die DDR“ („Die Zeit“) werden konnte.

Gleich im Jahr darauf verkörperte sie Ulrike Meinhof in einem der meist diskutierten deutschen Spielfilme der Nullerjahre, „Der Baader Meinhof Komplex“ (2007, DT vom 25.9.2008). Der Film von Bernd Eichinger (Drehbuch) und Uli Edel (Regie) basierte auf dem Ende 1985 erschienenen Buch von Stefan Aust. Über den Film, eine der teuersten deutschen Filmproduktionen, wurde bereits vor Kinostart wie kaum über einen Spielfilm zuvor in den Zeitungsfeuilletons ausführlich berichtet.

Im Jahre 2006 wählte sie gar eine Expertenjury zur besten deutschen Schauspielerin.
Dies lässt sich insbesondere durch die Bandbreite ihrer Figuren erklären,
die sich meistens durch ihre Tiefgründigkeit auszeichnen.

Die Kritik über den mit zweieinhalb Millionen Kinobesucher kommerziell sehr erfolgreichen Film war ziemlich gespalten. Moniert wurde insbesondere die bloße Aneinanderreihung hinlänglich bekannter Tatsachen ohne Reflexionsebene. Eine Ausnahme stellt allerdings eine Szene mit Martina Gedeck dar, als Ulrike Meinhof einige Sekunden lang zögert, um anschließend aus dem Fenster des Zentralinstituts für Soziale Fragen in Berlin zu springen. Ein Sprung, der die Entscheidung symbolisiert, mit ihrem bisherigen Leben zu brechen, um von nun an im bewaffneten Untergrund zu leben.

Auch „Geliebte Clara“ (DT vom 4.12.2008), in dem sie Clara Schumann spielte, wurde von der Kritik eher negativ bewertet. Dies lag ebenfalls jedoch weniger an Gedecks Darstellung als an der konventionellen Regie von Helma Sanders-Brahms, die sich eher auf die Beziehung zwischen der Frau und den zwei Männern (Robert Schumann und Johannes Brahms) konzentrierte, als über den künstlerischen Prozess der Kompositionen Clara Schumanns, und deshalb an der schönen Oberfläche der ausgesuchten Ausstattung haften blieb.

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Eine der bekanntesten deutschen Schauspielerinnen

Nach der Romanverfilmung „Die Wand“ (DT vom 13.10.2012), dem Fernseh-Sechsteiler „Tannbach – Schicksal eines Dorfes (DT vom 3.1.2015 und vom Auch „Geliebte Clara“ (DT vom 4.12.2008)DT vom  4.1.2018) und „Das Tagebuch der Anne Frank“ (DT vom 3.3.2016) verkörperte Martina Gedeck im Sechsteiler „Oktoberfest 1900“ (DT vom 10.9.2020) eine alteigesessene Brauerei-Besitzerin, die sich den Plänen des Nürnberger Großgastronoms Georg Lang widersetzte, die erste große Bierburg auf der Wiesn zu bauen.

Obwohl sie kaum in internationalen Produktionen mitgewirkt hat – neben „Der gute Hirte“ wäre hier Bille Augusts „Nachtzug nach Lissabon“ (2013) zu nennen –, gehört Martina Gedeck, die am 14. September 60 Jahre alt wird, zu den bekanntesten deutschen Schauspielerinnen der Gegenwart. Im Jahre 2006 wählte sie gar eine Expertenjury zur besten deutschen Schauspielerin. Dies lässt sich insbesondere durch die Bandbreite ihrer Figuren erklären, die sich meistens durch ihre Tiefgründigkeit auszeichnen.

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