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„Jury Duty“: Die Truman-Show im Gerichtssaal

Eine Komödie im Stil eines fiktiven Dokumentarfilmes mit einem überraschenden, aber verdienten Hauptdarsteller: die Amazon-Serie „Jury Duty“.
Amazon-Serie „Jury Duty“
Foto: Amazon | In der Serie „Jury Duty“ sind alle Jury-Mitglieder Schauspieler … bis auf einen, Ronald Gladden (mittlere Reihe, Mitte), der nichts davon weiß.

Ronald Gladden wurde aus einer Gruppe von mehr als 2.500 Bewerbern ausgewählt, um an einer Dokumentation über das US-amerikanische Justizsystem teilzunehmen, insbesondere über die Pflicht der Geschworenen in den Vereinigten Staaten. Er sollte als Jury-Mitglied an einer Gerichtsverhandlung teilnehmen, die von einem Kamerateam begleitet werden sollte.

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Was Gladden jedoch nicht wusste: Die gesamte Gerichtsverhandlung war inszeniert. Gladdens Einberufung zur Geschworenenpflicht, die anderen Jury-Mitglieder, der Richter, die Gerichtsdienerin, die Staatsanwältin, der Verteidiger, der Angeklagte, die Klägerin – sie alle waren samt und sonders Schauspieler. Die Verhandlung selbst war keine echte, sondern wurde von Lee Eisenberg und Gene Stupnitsky erdacht, den kreativen Köpfen hinter der Serie „The Office“.

Komödie im Stil einer „Mockumentary“

„Jury Duty“ ist eine Komödie im Stil einer „Mockumentary“ – eines vorgegaukelten Dokumentarfilms–, bei dem alle außer einem eingeweiht sind. Dieser eine, Ronald Gladden, kann nicht ahnen, dass er der eigentliche Star der Serie ist.

Auch die Zuschauer sind eingeweiht; allerdings kennen sie nicht im Detail die Regeln, nach denen die anderen Beteiligten agieren, oder ob sie nach einem Drehbuch handeln oder improvisieren. Sie sind unbekannte Schauspieler. Richtig bekannt ist nur James Marsden, der eine Parodie auf sich selbst spielt: Der Schauspieler, der bereits für den Emmy und den Golden Globe als bester Nebendarsteller nominiert wurde, stellt das Klischee des mittelmäßigen, kommerziellen Hollywood-Schauspielers dar. Doch auch er agiert als Ensemblemitglied, das den anderen nicht die Show stiehlt.


„Jury Duty“ ist allein schon aufgrund der bunten Auswahl an Jury-Mitgliedern unterhaltsam, die für komische Situationen sorgen. Die Darsteller verkörpern ihre Figuren mit großer Natürlichkeit. Da ist der schmächtige Todd (David Brown), fasziniert von Kybernetik, was ihn zu allerlei skurrilen Erfindungen führt (Stichwort „Sitzhose“). Das wohl älteste Mitglied, Barbara (Susan Berger), schläft während der Verhandlung immer wieder ein; Ken (Ron Song) verliert bei einem völlig sinnlosen Spiel gegen Ronald und behauptet dann, ihm 2.000 US-Dollar zu schulden, und so weiter.

Unterhaltsamer als viele amerikanische Komödien

Auf der anderen Seite ist der Verteidiger so unbeholfen, dass Ronald Gladden für einen Augenblick zu ahnen scheint, was vor sich geht, und auch die Zeugin steht dem Rechtsanwalt in nichts nach.

Die auf der Amazon-Plattform „Freeve“ mit Werbung ausgestrahlte Serie zeigt gelegentlich Interviews mit dem ahnungslosen Ronald, sowie Situationen, die insbesondere an „The Truman Show“ erinnern. Der Zuschauer wird schnell in die Handlung hineingezogen, und sympathisiert leicht mit der Hauptfigur. 

Auch wenn die Serienmacher manchmal zu platten Witzen neigen, gleichen sie dies durch die Freundlichkeit und den Optimismus aus, den Ronalds Figur ausstrahlt. Seine Menschlichkeit und Einfachheit machen die Serie unterhaltsamer als viele amerikanische Komödien.

Der größte Teil des Humors in der Serie entspringt der Notwendigkeit der Beteiligten, die Illusion aufrechtzuerhalten, dass Ronald Gladden tatsächlich an einer Dokumentation über einen echten Prozess teilnimmt. Es ist beeindruckend, wie Ronald all dies mit größter Geduld hinnimmt. Er meistert komplizierte Situationen in seiner „Jury“ und wird zu ihrem Vorsitzenden gewählt. Der junge Mann bewältigt Zwistigkeiten innerhalb der Gruppe und verkörpert perfekt die Rolle des Ahnungslosen, der seinen Part großartig spielt. Im Laufe der Serie wird er immer mehr zum Mittelpunkt von „Jury Duty“.


„Jury Duty“. Serienschöpfer: Gene Stupnitsky, Lee Eisenberg. Regie: Andrew Weinberg, Ese Shaw u.a., USA 2023, 8 Folgen à 30 Minuten. Auf Amazon-Freeve. 

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