Einem breiten Kinopublikum ist Judi Dench als „M“, die Leiterin des MI6 in insgesamt acht James-Bond-Filmen, bekannt. Ihr Debüt in der Reihe („Golden Eye“, 1995) markierte einen bemerkenswerten Wechsel – sie war die erste Frau, die diese Rolle übernahm. Ihre Figur stirbt zwar in „Skyfall“ (2012), ihrem siebten Auftritt als „M“, aber in „Spectre“ (2015) war sie noch in Form einer Videobotschaft an Bond zu sehen. Als Leiterin des britischen Geheimdienstes überzeugte die Charakterdarstellerin durch eine einzigartige Mischung aus Autorität, Menschlichkeit und vielschichtiger Emotionalität.
Die am 9. Dezember 1934 in York, North Yorkshire, geborene Judith Olivia Dench blickt auf eine mehr als sechzigjährige Theater-, Fernseh- und Filmkarriere zurück. Wie viele britische Charakterdarsteller begann Dench ihre Laufbahn am Theater nach ihrer Ausbildung an der Central School of Speech and Drama in London. Ihr erstes großes Engagement als Ophelia in „Hamlet" am Old Vic Theatre in London 1957 markierte den Beginn einer beeindruckenden Karriere. Der eigentliche Theater-Durchbruch gelang ihr mit ihrer gefeierten Darstellung der Julia in „Romeo und Julia" am selben Theater im Alter von 25 Jahren. Für ihr Regiedebüt arbeitete sie mit der Renaissance Theatre Company zusammen und inszenierte 1988 „Viel Lärm um nichts" mit Kenneth Branagh und Samantha Bond in den Hauptrollen. Im Gegenzug wirkte sie in drei Filmen unter Branaghs Regie mit: „Henry V." (1989), „Hamlet" (1996) sowie „Belfast“ (2021).
Achtmal für den Oscar nominiert
Ihre Filmkarriere begann folgerichtig mit einer Shakespeare-Verfilmung: „A Midsummer Night's Dream“ (Peter Hall, 1968), wobei ihr der internationale Durchbruch erst mit „Zimmer mit Aussicht“ (James Ivory, 1985) gelang – an der Seite einer noch nicht 20-jährigen Helena Bonham Carter. Ihre beeindruckende Darstellung der Königin Elizabeth I. in „Shakespeare in Love“ brachte ihr 1999 ihren bislang einzigen Oscar ein – bei insgesamt acht Nominierungen. Ihre jüngste Oscar-Nominierung erhielt sie als 87-Jährige für ihre Rolle in „Belfast" (2022), womit sie zur ältesten Nominierten in der Kategorie „Beste Nebendarstellerin“ wurde.
Judi Dench ist tief im Glauben verwurzelt. Während ihrer Schulzeit an der Quäker-Schule The Mount in York entdeckte sie die Prinzipien des Quäkertums, die ihr Leben und ihre Arbeit nachhaltig prägen. Sie beschreibt ihren Glauben als unverzichtbare Quelle der Inspiration und Kraft: „Ich könnte nicht ohne ihn sein.“ Die Überzeugung, dass in jedem Menschen ein göttlicher Funke wohnt, bestimmt ihr Handeln und ihre Haltung. Dies spiegelt sich auch in ihrem langjährigen Engagement als Friedensaktivistin wider.
In schwierigen Lebensphasen findet sie besonderen Halt in ihrem Glauben. Nach dem Verlust ihres Ehemanns Michael Williams, mit dem sie über 30 Jahre verheiratet war, schöpfte sie Kraft aus ihrer spirituellen Überzeugung und ihrer Kunst. Das Paar, das 1971 heiratete, hatte eine Tochter, Finty Williams, die in die Fußstapfen ihrer Eltern trat und ebenfalls Schauspielerin wurde. Seit 2010 lebt Judi Dench mit dem Naturschützer David Mills zusammen, den sie als besonderes Geschenk des Lebens betrachtet.
Künstlerischer Mut und Würde trotz Herausforderungen
Judi Dench verkörpert nicht nur künstlerischen Erfolg, sondern auch die Fähigkeit, persönliche und gesundheitliche Herausforderungen mit bewundernswerter Würde zu meistern. 2012 machte sie ihre Diagnose einer altersbedingten Makuladegeneration öffentlich, die ihre Sehkraft erheblich einschränkt. Dennoch setzt sie ihre Karriere mit bemerkenswerter Professionalität fort. Mit Unterstützung von Kollegen und Assistenten meistert sie ihre Auftritte und beweist dabei außergewöhnliche Disziplin und Hingabe.
Ihre Bereitschaft, sich immer wieder neu zu erfinden, zeigt sich auch in ungewöhnlichen Rollenwahlen. In der Bühnenversion von „Cabaret“ wagte sie als Sally Bowles ein vielbeachtetes Musical-Debüt, obwohl sie sich selbst nie als Sängerin sah. Sie übernahm Rollen in Blockbustern wie „Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten“ (2011) und bewies auch in umstrittenen Produktionen wie der Verfilmung von „Cats“ (2019) künstlerischen Mut.
Das Leben mit allen Facetten annehmen
Judi Dench hat über die Jahrzehnte hinweg Generationen von Zuschauern begeistert. Ihre Fähigkeit, tiefgründige, oft komplexe Charaktere mit Menschlichkeit und Authentizität zu füllen, ist außergewöhnlich. Ob als alternde Queen Victoria in „Victoria & Abdul“ (2017), als strenge Herzogin in „Stolz und Vorurteil“ (2005), als suchende Mutter in „Philomena“ (2013) oder als Joan Stanley, die im hohen Alter als ehemalige KGB-Spionin entlarvt wird, in „Geheimnis eines Lebens“ (2018): Sie verleiht all diesen Rollen eine emotionale Intensität, die zu ihrem unverwechselbaren Stil gehört.
Im Privatleben bleibt Judi Dench bescheiden, doch ihre seltenen Interviews zeigen eine Frau, die mit Leidenschaft liebt, arbeitet und lebt. Ihre Beziehung zu David Mills, ihre Rolle als Mutter und ihre tiefe Verwurzelung im Glauben offenbaren ihre zutiefst menschliche Seite. Mit ihrer künstlerischen Vielfalt, ihrem Durchhaltevermögen und ihrer bescheidenen Art beweist Judi Dench eindrucksvoll, dass wahre Größe weder an Alter noch an äußere Erscheinung gebunden ist, sondern an die Fähigkeit, authentisch zu bleiben und das Leben mit allen seinen Facetten anzunehmen.
Am 9. Dezember wird Judi Dench 90 Jahre alt.
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