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Netflix-Serie „Hollywood“: Der Mythos will sich neu erfinden

Die Netflix-Serie „Hollywood“ will die Geschichte der Traumfabrik nach den Maßstäben der LGBT-Ideologie umschreiben.
Netflix-Serie „Hollywood“ - Filmszene
Foto: Netflix | Drehbuchautor Archie Coleman (Jeremy Pope, links) und Regisseur Raymond Ainsley (Darren Criss) wollen mit ihrem Film eine ganz neue Ära einläuten.

Hollywood. Seit mehr als hundert Jahren steht der Name des Stadtteils von Los Angeles für die Sehnsüchte und Träume von Millionen, ja Milliarden von Menschen, die „Hollywood“ für die „dream factory“, die „Traumfabrik“ halten. Über die Entstehung des Mythos „Hollywood“ verfasste Sozialhistoriker und Kulturjournalist Neal Gabler die umfangreiche Studie „Ein eigenes Reich. Wie jüdische Emigranten ,Hollywood‘ erfanden“ (DT vom 28.5.2005). Gabler wies nach, wie in den ersten zwei Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts das sogenannte StudioSystem etabliert wurde, das den Film aus dem anrüchigen Umfeld des Vaudevilles trennte, und so zu einer eigenständigen Kultursparte machte.

Der goldenen Zeit des Hollywood-Studiosystems widmet nun Netflix eine siebenteilige Serie.„Hollywood“ ist kurz nach dem Zweiten Weltkrieg (wohl im Jahre 1947) angesiedelt. Vor den Toren des (fiktiven) „Ace“-Studios steht eine große Menschentraube. Unter denen, die so auf eine Statistenrolle hoffen, befindet sich auch der junge Kriegsveteran Jack Castello (David Corenswet).

Die "Glitzerstadt" als Hort der Heuchelei

Wie so viele andere möchte Jack in der „Glitzerstadt“ („Tinseltown“) seinen Traumberuf Schauspieler verwirklichen. Der junge Mann muss jedoch bald einsehen, dass sein Vorhaben nicht so einfach ist.
Da er für seine schwangere Frau Henrietta (Maude Apatow) Geld braucht, geht Jack auf das Angebot des zwielichtigen Ernie West (Dylan McDermott) ein, an dessen Tankstelle zu arbeiten.

Hinter der „Golden Tip Gasstation“ betreibt Ernie allerdings einen Prostitutionsring: Gutbetuchte Damen aus der „feinen“ Hollywood-Gesellschaft lassen sich von den Gigolos ins „Wunderland“ einführen – so das Losungswort für den käuflichen Sex. Jack ist entsetzt, als er davon erfährt. Ernie: „Die Heuchelei ist ein Grundpfeiler der Stadt. Filme vermitteln ein Bild amerikanischer Tugend,oder? Doch die Filmschaffenden ... absolut verdorben.“

„Die Heuchelei ist ein Grundpfeiler der Stadt.
Filme vermitteln ein Bild amerikanischer Tugend,oder? 
Doch die Filmschaffenden ... absolut verdorben.“

Eine „rote Linie“ will Jack aber nicht überschreiten: Mit homosexuellen „Kunden“ will er nichts zu tun haben. Deswegen holt er Archie Coleman (Jeremy Pope) ins Boot, der ja seine sexuelle Orientierung nicht verbirgt. Aber Archie übernimmt diesen Job nur, bis sein Drehbuch verfilmt wird. Denn Archie möchte die Geschichte einer Schauspielerin namens Peg Entwistle verfilmen, die 1932 als 24-Jährige dadurch Selbstmord beging, dass sie sich von dem berühmten Hollywood-Schild in den Hügeln von Los Angeles stürzte.

Das Drehbuch weckt Interesse beim aufstrebenden Regisseur Raymond Ainsley (Darren Criss), der mit der farbigen Nachwuchs-Schauspielerin Camille Washington (Laura Harrier) liiert ist: Damit sie die Hauptrolle bekommt, wird aus „Peg“ einfach „Meg“. Dafür müssen jedoch zunächst die Produzenten und Studiobosse überzeugt werden. Mit der Realität hinter der Netflix-Serie „Hollywood“ haben sich in den Vereinigten Staaten mehrere Medien auseinandergesetzt. So prüfte die „Los Angeles Time“ 13 verschiedene Figuren und Aussagen der Serie auf Vorbilder in der Wirklichkeit, und kam zu dem Ergebnis: „Einige Figuren in der Serie basieren auf Vorbildern aus dem wirklichen Leben, andere sind rein erfunden. Sind eher ausgefallen erscheinende Situation oft wahr, so dienen die erfundenen Handlungsstränge der Serie der Wunscherfüllung (der Serienmacher).“

Abrechnung mit Machtstrukturen

Etliche Filme haben auf bissig-sarkastische Art mit den Machtstrukturen im „klassischen“ Hollywood abgerechnet. Stilbildend bleibt noch immer in dem Bereich Billy Wilders „Boulevard der Dämmerung“ („Sunset Boulevard“, 1950), der in den Mittelpunkt an reale Figuren angelehnte Charaktere stellte. Der Unterschied zwischen solchen Filmen und der neuen Netflix-Serie besteht allerdings darin, dass hier – ausgehend von einigen realen Tatsachen – Hollywoods Geschichte einfach umgeschrieben wird, wobei die Handlung so verbogen wird, dass der Wunsch wohl der Vater des Gedankens war.

Besonders deutlich wird dies etwa an der Figur des Rock Hudson (Jake Picking), der sich in der Serie zu seiner Homosexualität in der Öffentlichkeit bekennt – der echte Rock Hudson tat dies erst in den 1980er Jahren, als er bereits von AIDS gezeichnet war. Eine solche Tankstelle wie „Golden Tip“ mag wirklich existiert haben. Peg Entwistles Selbstmord stimmt ebenfalls. Aber die „heile“ Welt eines 1940er Jahre-Hollywoods, in dem Diversität herrscht, in dem afro- oder asiatischamerikanische Schauspieler gleichberechtigt sind, in dem (männliche wie weibliche) Homosexualität offen ausgelebt wird ... ist eine reine Erfindung.

So naiv können Serienmacher nicht sein, dass sie erwarten, die Zuschauer würden ihre Geschichte für bare Münze halten. Damit wollen sie aber wohl suggerieren, dass ein solches Hollywood eine viel bessere Entwicklung genommen hätte, in der etwa keine MeToo-Bewegung nötig gewesen wäre. Dies ist freilich reine LBTG-Ideologie, die bei Netflix auch sonst eine große Rolle spielt (DT vom 18.7.2019).

„Hollywood“, Serienentwickler: Ian Brennan, Ryan Murphy, 7 Kapitel mit insgesamt 349 Minuten, auf Netflix.

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