Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Filmrezension

„Back to Black“: Das tragische Leben der Amy Winehouse

Ein neuer Kinofilm kommt der legendären Künstlerin auf die Spur.
Marisa Abela im neuen Amy-Winehouse-Biopic.
Foto: IMAGO (www.imago-images.de) | Marisa Abela im neuen Amy-Winehouse-Biopic.

Es gibt Clubs, die man lieber meiden und denen man besser nicht beitreten sollte. Dazu zählt auch der berühmt-berüchtigte „Club 27“, dem unfreiwillig sechs namhafte Musiker angehören, die als die „Big Six“ allesamt als Ikonen des „Sex, Drugs & Rock´n´Roll“ Lifestyles bereits im jungen Alter von 27 Jahren an den Folgen ihrer Alkohol-und Drogensucht verstarben. Dazu gehören: „Rolling Stones“-Gründungsmitglied Brian Jones (1969), Jimi Hendrix (1970), Janis Joplin (1970) und „The Doors“-Leadsänger Jim Morrison (1971) sowie der „Nirvana“-Frontmann Kurt Cobain, nach dessen Tod 1994 das Konzept des „Club 27“ erstmals formuliert wurde und Berühmtheit erlangte.

Ein viel zu kurzes Leben

Seit ihrem plötzlichen, aber nicht gänzlich unerwarteten Tod am 23. Juli 2011 gehört auch Amy Winehouse dazu, die dem Begriff vom „Club 27“ trauriger weise zu einem noch größeren Popularitätsschub verhalf. Obwohl Amy Winehouse in ihrer kurzen Karriere lediglich zwei Platten aufgenommen hat – nämlich „Frank“ (2003) und den großen Klassiker „Back to Black“ (2006) - gilt sie als eine der bedeutendsten Künstlerinnen der jüngeren Musikgeschichte. Sie hat mehr als 30 Millionen Platten verkauft und noch heute, 13 Jahre nach ihrem frühen Tod, werden ihre überwiegend autobiographischen Songs mehr als 80 Millionen Mal pro Monat gestreamt. Ihr hochgelobtes zweites Album zählt gar zu den populärsten Werken der letzten Jahrzehnte, brachte ihr Weltruhm und einen damaligen Rekord von fünf Grammys sowie diverse andere wichtige Preise.

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Mit „Back to Black“ startet nun, nach einigen Dokumentarfilmen über ihr Skandal-Leben, der titelgebende und als Überschrift sehr passende erste Spielfilm über sie in unseren Kinos. Er behandelt in 122 Minuten das viel zu kurze Leben der außergewöhnlichen Sängerin, die mit zunehmendem Ruhm immer mehr in einen dunklen Abwärtsstrudel von Selbstzerstörung geriet. Gespielt wird sie dabei von der Newcomerin Marisa Abela, die Amy Winehouse durch ihre Darstellung auf beeindruckende Weise wieder zum Leben erweckt, ihre Songs im Film sogar selbst singt und dabei dem Original stimmlich sehr nahekommt. 

Hoffnungslos talentiert – hoffnungslos instabil

Neben den Hits von Amy tragen aber auch die Musiker Nick Cave und Warren Ellis zum Score des Biopic von Sam Taylor-Johnson bei. Die Regisseurin kennt sich im Musikbusiness und mit Biopics gut aus, da sie bereits für die „Pet Shop Boys“ und „R.E.M“ Videos inszeniert hat und auch John Lennon in ihrer Filmbiografie „Nowhere Boy“ (2009) ein Denkmal setzen konnte, dass von den frühen Jahren des späteren Beatles-Musikers erzählt. Früh ging es auch für Amy los: Sie wuchs mit einem Bruder in einer jüdischen Familie auf, ihre Eltern trennten sich jedoch als sie noch klein war, da ihr Vater eine außereheliche Beziehung hatte. Mit 16 Jahren wurde sie zu Beginn der 2000er Jahre im Londoner Stadtteil Camden entdeckt. Die talentierte Sängerin und Gitarristin, die vor allem Jazz liebte und ihre Songs selbst schrieb, verstand es mit ihrer außergewöhnlichen Stimme und ihrem einzigartigen Charisma ihre Zuhörer in den Clubs von Camden zu begeistern. 

Sie machte schnell von sich reden, so dass Talent Scout Nick Shymansky auf sie aufmerksam wird und ihr einen Plattenvertrag bei einem großen Plattenlabel verschafft. Ihr kometenhafter Aufstieg in den Pophimmel begann - doch je höher sie stieg, umso tiefer fiel sie durch seelische und körperliche Abstürze. Zunächst schien der Konsum von übermäßigem Alkohol, zudem dann noch der Drogenkonsum hinzukam, ihrem rebellischen Freigeist-Image zu entsprechen. Doch die Dinge eskalierten immer mehr - vor allem nachdem sie eines Tages in einem Pub den charismatischen Junkie Blake Fielder-Civil (Jack O´Connell) trifft und sich unsterblich in ihn verliebt. Dieser führt sie an harte Drogen heran und macht sie heroinabhängig.

Die beiden können nicht mit, aber auch nicht ohne einander und führen eine toxische Beziehung, die geprägt ist von Abhängigkeiten, Drogen und Gewalt. Nach einer Blitzhochzeit kommt es dann auch schnell zur Scheidung. Auch ihr Vater Mitch Winehouse (Eddie Marsan) ist ihr keine wirkliche Hilfe, da er ihr stets nur Druck macht und vor allem an ihrem Ruhm und Geld interessiert ist und nicht in erster Linie am Wohlbefinden seiner Tochter. Als dann auch noch ihr letzter Halt und ihre beste Freundin, ihre Großmutter Cynthia Winehouse (Lesley Manville) plötzlich an Lungenkrebs verstirbt, bricht für sie eine Welt zusammen und die Drogen werden umso mehr zu einer Flucht aus einer Welt, die nicht die ihre ist. 

Ruhm und Sucht als Liebesersatz

Amy Winehouse suchte nie nach Geld, Ruhm oder Erfolg - sie suchte einfach nur nach Liebe, die sie aber nirgendwo fand. Mit jedem Glas Whiskey, mit jeder neuen Droge und mit jeder zusätzlichen Tätowierung beginnt der Strudel in den Selbstzerstörungs-Abgrund, den letztlich niemand wirklich aufzuhalten vermag: Keine guten Ratschläge, keine Warnungen der Ärzte und auch keine Entzugskuren. Je mehr sie in die Drogen-und Alkoholhölle abstürzt und sich die Auswirkungen des rücksichtslosen Umgangs mit ihrem Körper deutlich zeigen, desto mehr wird sie in der Öffentlichkeit zu einer Witzfigur und zu einem Lieblingsopfer von Medienvertretern und Paparazzis, die sie wie bei Lady Diana auf Schritt und Tritt verfolgen und jede ihrer Eskapaden genüsslich in den Medien dokumentieren und ausschlachten, bis zu dem Tag, an dem sie mit 4,16 Promille in ihrem Haus an einer Alkoholvergiftung stirbt.

Regisseurin Sam Taylor-Johnson erzählt die tragische Geschichte der Amy Winehouse voller Mitgefühl für ihre tragische Heldin und schwelgt dabei gerne und lange in ihren unsterblichen Songs. Dieser Fokus geht dann aber leider an einigen Stellen auf Kosten der Glaubwürdigkeit ihrer Geschichte. Wenn man den in mancherlei Hinsicht härteren und authentischeren Dokumentarfilm „Amy – The Girl behind the Name“ von Asif Kapadia aus dem Jahr 2015 zum Vergleich heranzieht, dann merkt man schnell, dass der Spielfilm „Back to Black“ sich nicht richtig traut, zu einigen strittigen Themen Position zu beziehen, dass er einiges herunterspielt oder nur wage andeutet. So wird die extrem problematische Beziehung zu ihrem Vater nur angedeutet und dass sie bereits mit 14 Jahren Antidepressiva nahm und von Jugend an unter Bulimie litt, nicht erwähnt. Ihr schrecklicher und einsamer Tod wird am Ende gar komplett ausgeblendet und nur mit einigen wenigen Zeilen beschrieben. Auch stellt sich die Frage nach der Verantwortung für ihren Niedergang und Tod nicht so stark wie in der oscarprämierten Dokumentation. 

Ein intensives moralisches Lehrstück

Denn in dieser dramatischen Geschichte haben neben Amy selbst auch jede Menge anderer Leute dazu beigetragen, dass diese den Druck der Öffentlichkeit, den Zwängen der Unterhaltungsindustrie und Menschen, die an ihr verdienten und sie ausnutzten, nicht standhalten konnte und sich lieber in Scheinwelten geflüchtet hat um all dem zu entkommen. Was bleibt ist ein interessanter und unterhaltsamer Spielfilm über eine faszinierende und eigenwillige Musikerin und ein Vermächtnis, dass dafür sorgt, dass die Menschen das Beste von ihr in Erinnerung behalten - und das ist ihre Musik. 

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Wer mehr über den sehr komplizierten und vielschichtigen Menschen Amy Winehouse erfahren möchte und wie ihre kreativen Schaffensprozesse im Einzelnen abliefen, sollte sich eher die Dokumentation „Amy“ ansehen:  Diese zeigt stärker auf, dass ihre Geschichte ein intensives moralisches Lehrstück ist: Über die Tücken und Gefahren des Ruhms sowie die Suche nach Liebe und Anerkennung mit den falschen Mitteln und bei den verkehrten Menschen. 

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Norbert Fink Väter

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