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Xi Jinping, Foucault und die Fußball-EM

China ist der große Gewinner der Europameisterschaft – zumindest werbetechnisch. In Sachen Reklame wirkt das Turnier wirkt wie ein China-Event auf deutschem Boden.
Leroy Sané beim Spiel gegen Schottland
Foto: IMAGO/Matthias Koch (www.imago-images.de) | DFB-Kicker Leroy Sané bei der Ballannahme im Spiel gegen Schottland. Im Hintergrund Werbung des chinesischen Online-Versandhändlers AliExpress.

Der große Gewinner der Fußball-EM 2024 in Deutschland steht bereits fest: China. Die Weltkonzerne aus dem Reich der Mitte haben sich die Dominanz über den EM-Werbemarkt gesichert, das Turnier wirkt wie ein China-Event auf deutschen Boden. Statt Mercedes, BMW oder VW motorisieren Elektroautos von Exklusivsponsor BYD das Fußballfest. Alle anderen: ausgebremst. Deutsche Firmen wurden nicht einmal eingeladen, ein Angebot abzugeben. Die Bezahlplattform AliPay hat alle großen Banken und Finanzdienstleister aus Europa und Amerika ausgestochen. Und AliExpress dominiert als Versandhändler. 

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Hisense, wozu auch die europäische Haushaltselektronik-Marke Gorenje gehört, wirbt für Fernseher und Kühlschränke. Ihr Markenbotschafter ist Manuel Neuer, das chinesische Zeichen für Freundschaft trägt er an der rechten Ferse als Fußfessel. Nicht auszudenken, wenn Nagelsmann den Torhüter nur auf die Bank gesetzt hätte. Enthält der Werbevertrag eine Einsatzklausel?

Eine zentral orchestrierte Werbeoffensive?

Der hierzulande relativ unbekannte Handyhersteller VIVO lässt es bei der EM richtig klingeln, Apple und Samsung bleiben stumm. Die chinesische Wirtschaft bläst in den EM-Arenen zur Attacke. Alles sieht nach einer zentral orchestrierten Werbeoffensive aus. Noch erspart bleibt den Stadionbesuchern der EM die Personenerfassung über biometrische Scans, die in China den gesamten öffentlichen Raum beherrscht. Das Abtasten nach Messern und Knallern erfolgt in Handarbeit.

Staatschef Xi Jinping hat die sportkulturelle und ökonomische Dimension von Fußball erkannt. Bis jetzt zündet die Einrichtung von landesweit 50.000 Nachwuchseinrichtungen zur Förderung des Fußballsports aber nicht. Den Youngstern fehlen die Rollenvorbilder aus dem eigenen Land. Dagegen hat der Weltfußball, vor allem der aus den europäischen Ligen, ein riesiges Publikum. Drei große chinesische Sender übertragen die EM live. Eine möglicherweise subversive Kraft können die bunten Übertragungen aus dem Abendland nicht entwickeln. Durch Sendesignal-Kontrolle und den Einsatz künstlicher Intelligenz bei den Werbeeinblendungen hat der chinesische Durchschnittszuschauer den Eindruck, die EM finde bei ihm zuhause statt. Virtuelle Bandenwerbung in den Stadien wird so gesteuert, dass im Fernsehbild für China spezielle, chinesische Werbung zu sehen ist: „Ich sehe was, was du nicht siehst.“

Der französische Philosoph Michel Foucault, in China hochgeschätzt, stellte bereits 1970 in seiner „Ordnung des Diskurses“ fest, dass es kein Außerhalb der Macht, kein Außerhalb der Kontrollmechanismen gibt. Die Macht muss sich nach Foucault sogar „in jedem Moment und überall neu reproduzieren.“ Wenn Bundespräsident Walter Steinmeier jetzt in politischer Überschwangsrhetorik formulieren würde: „Auch China gehört zu Deutschland“, so hätte er leider Unrecht. Richtiger wäre: Deutschland gehört zu China.

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