Der bedeutende französische Schriftsteller Michel Houellebecq („Unterwerfung“, „Vernichten“), der jüngst durch Konflikte mit Muslimen und die Mitwirkung in einem Pornofilm für Aufsehen sorgte, hat der katholischen Wochenzeitung „Die Tagespost“ ein ausführliches Exklusiv-Interview gewährt.
Ein Idiot
Im Gespräch mit der bekannten Kulturjournalistin Ute Cohen („Satans Spielfeld“, „Falscher Garten“) und dem belgischen Althistoriker David Engels („Auf dem Weg ins Imperium“, „Was tun?“), mit dem Houellebecq befreundet ist, äußerte sich der 66-jährige Franzose zu verschiedenen Themenfeldern, wie Europa, Religion, Wokismus, Feminismus und aktive Sterbehilfe.
Dabei zeigt sich Houellebecq auch schonungslos selbstkritisch: „Ich war ein Idiot – praktisch, aber auch theoretisch. Ich weigere mich weiterhin, Sexualität mit dem Bösen in Verbindung zu bringen. In gewisser Weise bin ich ein Idiot, weil ich einfach sage: Ich verstehe deinen Standpunkt nicht, aber in Wahrheit will ich ihn nicht verstehen. Ich sage lieber: ,Ich verstehe nicht, was Sie sagen‘, als dass ich diskutieren muss.“
Gegen Sterbehilfe
Houellebecq unterstreicht in dem Interview, das in den Print-Ausgaben der „Tagespost“-vom 29. Juni, 6. Juli und 13. Juli erscheint, wie wichtig für ihn der „Kampf“ gegen die aktive Sterbehilfe bzw. Euthanasie sei. „Der Kampf gegen die aktive Sterbehilfe ist der Kampf meines Lebens und ich denke, es ist mein letzter Kampf. Die Vorstellung, dass die Würde vom Gesundheitszustand abhängen könnte, finde ich ungeheuerlich.“
Dieser Kampf sei so wichtig und „ernst“, dass die Weltreligionen (Judentum, Islam, Christentum) ihn laut Houellebecq gemeinsam bestreiten sollten. Wobei seine besondere Kritik den Katholiken gilt. Diese seien aus Sicht Michel Houellebecqs in Sachen Lebensschutz „träge“. „Der Islam reagiert schneller. Diese Trägheit ist es, die mir Sorgen bereitet. Die Ärzte sind aktiver, die Muslime und die Juden sind aktiver. Es ist ein ernster Kampf.“ Ausnahmen, Menschen das Sterben zu erleichtern, will der französische Schriftsteller nicht dulden: „Ich bin grundsätzlich mit der Idee nicht einverstanden. Es entspricht der Tendenz, den Menschen auf seine Kommunikationsfähigkeit zu reduzieren. Ich bin der Meinung, dass ein Leben, das aus Träumen besteht, immer noch lebenswert ist.“
Nicht unmoralisch
Houellebecqs Aussagen gegenüber der „Tagespost“ zum Thema Pornographie („Es ist überhaupt nicht unmoralisch, in einem Pornofilm mitzuspielen“) wird Ute Cohen gesondert in ihrer regelmäßigen „Tagespost“-Kolumne „Klare Worte“ analysieren, die zusammen mit dem ersten Teil des Interviews im Feuilleton der „Tagespost“ am 29. Juni zu lesen ist.
Die aktuellen Tagebücher des Schriftstellers, „Einige Monate in meinem Leben. Oktober 2022 – März 2023“, die in Frankreich bereits für großes Aufsehen gesorgt haben, erscheinen unmittelbar nach dem drei-teiligen „Tagespost“-Interview auf Deutsch, was dieser „Houellebecq-Trilogie“ einen besonderen Reiz verleiht. DT/mee
Lesen Sie in der kommenden Ausgabe der "Tagespost" den ersten Teil des dreiteiligen Interviews mit Michel Houellebecq.