Charles Pépin, („Die Schönheit des Scheiterns“, „Sich selbst vertrauen“), spricht anlässlich seines neuen Buches „Kleine Philosophie der Begegnung“ mit der „Tagespost“. Ziel seines Buch sei es, eine starre, traumatisierende Erinnerung in eine zukunftsgestaltende Kraft zu verwandeln. Denn: Man könne, so Pépin, im Gefängnis der Erinnerung eingeschlossen sein. Dabei seien nicht die Erinnerungen an sich schlimm, sondern die Gefühle, die mit den Erinnerungen verbunden seien. „Man sollte daher die Gefühle von den Erinnerungen lösen und mit der Regel brechen, die man aus den Erfahrungen abgeleitet hat.“ Das gelinge zum Beispiel in neuen Begegnungen oder in der Literatur.
Durch neue Erinnerungen könne das Gehirn rekonfiguriert werden. „Wenn ich diskutiere, liebe, handle, dann appelliere ich in der Gegenwart an meine Vergangenheit“, so Pépin. Identitäre Bewegungen sowohl bei Reaktionären als auch Woken hätten ein verkrampftes Verhältnis zur Vergangenheit; letztere zum Beispiel durch die Cancel Culture. Pépin fordert mehr Behutsamkeit, denn: „Die Vergangenheit stellt uns Fragen, aber sie gibt uns keine Antworten.“
Pépin plädiert, anders als Nietzsche nicht für das Vergessen. Dies sei nicht aktiv, sondern nur „Frucht des Lebens“. Vergessen sei kein Akt des Willens, sondern ein Geschenk des Lebens. „Recht hat er, wenn er sagt: Man verzeiht nie, man vergisst nur. Und zwar, indem wir neue, positive Erfahrungen machen.“ DT/sdu
Über den Umgang mit dem Vergangenheit, über Tod, Träume und das Verzeihen spricht Charles Pépin im Feuilleton der kommenden „Tagespost“.