Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Populäre Musik

Bei ABBA steht „Waterloo“ für Sieg

Schwedens Exportschlager Nr. 1: Vor 50 Jahren begann beim Grand Prix d'Eurovision in Brighton ABBAs einzigartige Musikkarriere.
Waterloo
Foto: IMAGO/Olle Lindeborg / TT (www.imago-images.de) | So begann mit "Waterloo" in Brighton vor 50 Jahren die einmalige Karriere der Gruppe ABBA.

Am 4. März 1974 wurde das Album „Waterloo“ veröffentlicht: Es war das zweite Album der vier schwedischen Musiker, die nun erstmals unter dem Namen ABBA auftraten – allerdings war auf diesem bereits zweiten Album des Quartetts hinter dem neuen Bandnamen noch in Klammern die vier Namen der Künstler aufgezählt. Rund einen Monat später, am 6. April 1974, gewann ABBA mit der ausgekoppelten Single „Waterloo“ in Brighton in Großbritannien den „Grand Prix d'Eurovision de la Chanson“, der seit 2001 in Deutschland „Eurovision Song Contest“ heißt.

Lesen Sie auch:

Historiker verbinden mit dem Begriff Waterloo in der Regel die vernichtende Niederlage, die der französische Kaiser Napoléon Bonaparte am 18. Juni 1815 in der Nähe des gleichnamigen Dorfes erlitt. Bonaparte ging anschließend nach St. Helena in die Verbannung. ABBA hingegen traten unter dem „Waterloo“-Banner einen Siegeszug rund um die Welt an. In der populären Musik ist eben vieles anders – auch Waterloo. Für die vier jungen, schwedischen Musiker war „Waterloo“ im April 1974 der Beginn einer weltweit einzigartigen Karriere. Geplant war daran im Grunde gar nichts. Es ist die Folge einer Kette von Entscheidungen, die mit dem Sieg beim Grand Prix in Brighton ihren ersten Höhepunkt fand.

Vier Individuen kommen zusammen

Der Beginn dieser einmaligen Erfolgsstory in der jüngeren Musikgeschichte sind im Kern eine Freundschaft und zwei Liebesgeschichten, die für einige Jahre zwei Ehepaare bilden: Agnetha Fältskog, Anni-Frid Lyngstad, Björn Ulvaeus und Benny Anderson hatten sich zwei Jahre vorher im Jahr 1972 zunächst locker, ohne die Absicht ein Band zu gründen, unter ihren vier Vornamen zusammengeschlossen. Zuvor verlobte sich Benny Anderson im August 1969 mit Anni-Frid Lyngstad – einige Monate später, im April 1970, verlobten sich Björn Ulvaeus und Agnetha Fältskog.

Seit 1966 kannten sich die beiden Männer der Gruppe: Björn und Benny, zwei ungeheuer kreative Köpfe, die schnell zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit kamen. Die Paare sind längst geschieden – doch die kreative Freundschaft von Anderson und Ulvaeus ist ungebrochen: Mal ist es ein Musical, mal ist es ein Film – und als jüngste Frucht ist es „ABBA Voyage“, eine virtuelle, dreidimensionale Show mit den „Abbataren“ in einem eigens dafür gebauten Theater in London. Die vier Musiker sind dort in einer ewig jungen Version ihrer selbst seit fast zwei Jahren ein ungebrochener Publikumsmagnet an der Themse.

Abba in London
Foto: IMAGO/Pontus Lundahl/TT (www.imago-images.de) | Auch an den vier Musikern von ABBA geht die Zeit nicht spurlos vorbei. Vor 50 Jahren begann ihre Karriere mit "Waterloo".

Da die Stimmen der beiden Frauen gut zueinander passten, nahmen die vier mit „People Need Love“ im Jahr 1972 ihr erstes gemeinsames Stück auf. Der musikalische Erfolg schon vor dem Grand Prix 1974 motivierte die vier, es nicht nur privat, sondern auch musikalisch weiter miteinander zu versuchen. Vor allen für Agnetha und Anni-Frid – kurz Frida – bedeutete dies das Ende ihrer Solokarrieren. Erst nach der Trennung 1983 nahmen beide diese wieder auf. Der Erfolg der Band ist nicht allein Verdienst des Gesangs der beiden Frauen – es ist auch der Erfolg der beiden kreativen Köpfe Björn und Benny. Hier waren vier sehr individuelle Künstler zusammengekommen, die ihre Talente einbrachten – und schon mit „Waterloo“ war der einzigartige ABBA-Sound geschaffen. Was war das Markenzeichen dieses typischen ABBA-Sounds, über den in der Vergangenheit viel geschrieben wurde?

Doppeln, doppeln, doppeln

Manche Fans und Nachahmer fassen den Sound in eine einfache Formel: Doppeln, doppeln, doppeln. In der Tat sind es eben nicht nur die beiden perfekt harmonierenden Frauenstimmen, die natürlich jeden ABBA-Song dominieren: Das gesamte Arrangement der Songs lebt von gedoppelten Instrumenten und viel Hintergrundchor. Selbst die Stimmen der beiden Frauen wurden oftmals in den Arrangements gedoppelt und damit in der Wirkung noch einmal verstärkt. Zu hören war dies gleich auf dem ersten Album der vier Musiker, „Ring Ring“, welches im März 1973 erschien. Schon damals konnten die noch namenlose Gruppe mit der gleichnamigen Single den dritten Platz bei der schwedischen Vorentscheidung zum Grand Prix erzielen. Das Lied wurde auch ohne Teilnahme an der Endausscheidung international ein Hit. Die Band beschloss im Folgejahr einen weiteren Anlauf beim Grand Prix zu unternehmen.

Björn und Benny komponierten und schrieben zu diesem Zeitpunkt längst an einem weiteren Album für die vier Musiker. Da beide aber noch weitere Projekte für das Label „Polar Music“ hatten, zogen sie sich in die Ruhe der Insel Viggsö zurück. Bis heute findet man bei einer Websuche auf der kleinen Insel das Ferienhaus „ABBA zum Songschreiben“. In der Ostsee direkt gegenüber der Hauptstadt Stockholm gelegen, bietet die Insel die Ruhe für kreatives Arbeiten. Für den zweiten Anlauf zum Großen Preis der europäischen Musik hatten sich Björn und Benny für einen schnellen Song mit fetziger Melodie entschieden. Nachdem die Melodie für den Song stand, schrieb der Manager der vier, Stig Anderson, den Text.

Video

Die Suche nach einem Titel für den neuen Beitrag zum Grand Prix gestaltete sich schwierig. „Waterloo“ wurde schließlich das Wort der Wahl: Es hat drei Silben – und es lässt sich auf der gewählten Melodie rhythmisch singen. Das Lied ist ein Liebeslied, in der die Sängerin ihr Nachgeben gegenüber der Liebe zu einem Mann mit der militärischen Niederlage Napoleons vergleicht. Dabei nimmt im Laufe des Liedes die Einsicht zu, dass die Niederlage gegenüber der Liebe am Ende doch eine Art Sieg ist. Die Zeile vor dem letzten Refrain lautet „I feel like I win when I lose“ und kann mit „Ich habe das Gefühl, dass ich gewinne, wenn ich verliere“ übersetzt werden.

Siegen durch Verlieren

Der Bezug zur Schlacht von Waterloo zeigt poetisch die Bedeutung des Kampfes um die Liebe: War die Schlacht ein entscheidender Moment in der Geschichte Europas und wirkt in der Geschichte der europäischen Nationen bis heute fort, so wird Waterloo im Lied das Symbol für den entscheidenden Moment, in dem die Sängerin der Liebe nachgibt. „I was defeatet, you won the war“ – „Ich wurde besiegt, du hast den Krieg gewonnen“ kann auf zwei Ebenen gesehen werden: Zum einen wurde sie von der Liebe besiegt, der sie nun nachgibt, zum anderen ist es aber auch der Geliebte, der um die Liebe gekämpft hat und der nun als Sieger aus der Schlacht hervorgeht. Nach dem Sieg verspricht sie dem Geliebten ewige Liebe. Abgesehen von der fetzigen Melodie ist es ein Schlager und ein Liebeslied: Es hat keinen großen Tiefgang, gewinnt aber durch die Darstellung des inneren Konflikts und der Tatsache, dass die Niederlage, die ein Sieg ist, mit einigem Schwung musikalisch gefeiert wird.

Das Outfit der Gruppe in Brighton ist bis heute ikonisch: Es war eine typische Bühnenkleidung der 70er-Jahre – Phantasie und Glitzer waren angesagt. Hier kam noch die Individualität jedes einzelnen Mitglieds der Gruppe zum Vorschein. In späteren Jahren war an der Bühnenkleidung jede Faser durchdacht. Gleiches gilt für die Bühnenshow: Beim Liveauftritt in Brighton stand die Band bei „Waterloo“ noch recht gleichmäßig verteilt auf der Bühne. Bei späteren Auftritten wird ABBA von Agnetha und Frida im Vordergrund repräsentiert, während Björn und Benny auch musikalisch eher im Hintergrund zu bleiben scheinen. In Wirklichkeit ist ABBA von der Komposition bis zur Präsentation von Anfang an das gemeinsame Werk von vier sehr individuellen Künstlern und deren Zusammenarbeit, was von Anfang an sehr erfolgreich war.

Die Erfolgsgeschichte geht weiter

Das gilt, auch wenn die Gruppe nicht mehr gemeinsam auftritt, bis zum heutigen Tag. Die Zahl der verkauften Tonträger der Gruppe ABBA wird auf 400 Millionen geschätzt. Das Album „Waterloo“, das nun 50 Jahre alt wird, war zwar schon das zweite Album der Gruppe, doch mit dem Sieg in Brighton und dem folgenden weltweiten Erfolg des Liedes und der Gruppe ABBA kann es als der Start einer in der populären Musik einzigartigen Erfolgsgeschichte angesehen werden. ABBA eint bis heute Generationen – und „Waterloo“ kennt im wahrsten Sinne des Wortes jedes Kind.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Peter Winnemöller Björn Ulvaeus Napoleon I.

Weitere Artikel

Kirche

Yannick Schmitz, Referent beim Berliner Vorortspräsidium des Cartellverbandes, sieht gute Gründe dafür, dass der Verband künftig wahrnehmbarer auftritt.
27.04.2024, 13 Uhr
Regina Einig
Jesus macht sich eins mit dem Volk der Sünder - auch im Gebet, meint Papst Franziskus in einer Katechese über das Beten.
28.04.2024, 17 Uhr
Papst Franziskus