Schlimme Verbrechen sollen in den 1960er und 70er Jahren in einem katholischen Kinderheim in Speyer begangen worden sein. In einer Stellungnahme weist die Provinzoberin der Niederbronner Schwestern, Sr. Barbara Geißinger, jetzt allerdings darauf hin, dass die schwersten Vorwürfe, aus ihrer Sicht nicht nachvollziehbar belegt seien. Sie seien weder durch die Befragung von Schwestern noch durch die Staatsanwaltschaft bestätigt. Dazu gehörten, so Geißinger, die Berichte über vermeintliche Sexparties unter Beteiligung von Priestern, Honoratioren und Politikern und über Gruppenvergewaltigungen. Ebenso unbestätigt seien die Vorwürfe der Prostitution der Kinder durch Schwestern der Gemeinschaft und das sowie das Auffinden eines ermordeten Heimkindes und dessen anschließendes Verschwinden.
Im Verfahren glaubwürdig
Im Rahmen eines Verfahrens vor dem Sozialgericht Darmstadt, hatte ein heute 63-jähriger Kläger vorgetragen, in der Einrichtung, in der er von 1963 bis 1972 lebte, etwa 1000-mal vergewaltigt worden zu sein. Unter den mutmaßlichen Tätern soll sich der der frühere, inzwischen verstorbene Generalvikar des Bistums, Rudolf Motzenbäcker befunden haben. Das Heim, in dem die „Niederbronner Schwestern vom Göttlichen Erlöser“ tätig waren, stand seinerzeit in der Trägerschaft der Dompfarreikirchenstiftung. Das Sozialgericht hatte den Bekundungen des Klägers geglaubt und auf der Basis eines psychologischen und psychiatrischen Gutachtens als glaubwürdig eingeschätzt. Ihm wurde eine Entschädigung von 15.000 Euro und weitere 10.000 Euro für Therapien im Urteil zugesprochen.
Schwestern schwer beschuldigt
Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann hatte vor wenigen Tagen in einem Interview mit der Kirchenzeitung „Der Pilger“ eingeräumt, dass drei Betroffene Vorwürfe gegen den 1998 verstorbenen Motzenbäcker erhoben hatten. Zwei der Betroffenen beschuldigen darüber hinaus Schwestern aus der Ordensgemeinschaft, sie hätten den systematischen sexuellen Missbrauch ermöglicht. „Bei der Suche nach klärendem Material für Vorfälle vor über 50 Jahren sind uns heute Grenzen gesetzt“, berichtet die Provinzoberin. Insbesondere weil sich die Akten des Kinderheims nicht in ihrem Besitz befänden. „Es ist für uns nicht fassbar, dass die vorgeworfenen grausamsten Handlungen und ihre Folgen weder von den Schwestern, von Mitarbeitern des Kinderheims noch vom Lehrkörper in den Schulen, die die Kinder besuchten, bemerkt und zur Sprache gebracht worden sein sollen“, ergänzt Geißinger. Auch die beiden beschuldigten Schwestern seien inzwischen verstorben. Sie hätten seinerzeit bei Befragungen nicht bestätigt, Missbrauchsstraftaten begangen zu haben. Schläge als „Erziehungsmittel“ bis in die 1970er Jahre hinein hätten sie allerdings eingeräumt.
Oberin von Vorwürfen erschüttert
„Wir müssen uns vorbehaltlos mit dieser Vergangenheit auseinandersetzen. Es gibt nichts zu beschönigen“, erklärt Geißinger. „Dass Kinder der Gewalt durch Mitschwestern und vermutlich weitere Mitarbeiter ausgesetzt waren, bedauere ich zutiefst“, betont die Provinzoberin. Inzwischen gebe es in der Kongregation gibt es „seit Jahren feste Präventionskonzepte und regemäßige Schulungen aller Mitarbeiter, die mit der Prävention beauftragt sind“. DT/hwu
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