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Müller: Kirche nicht zur Zivilreligion machen

Ein Katholizismus ohne Dogmen und Sakramente sei die Fata Morgana, nach der sich nicht wenige sehnten, so Kurienkardinal Müller. Eine Anpassung an den Zeitgeist sei aber das „Gift, das die Kirche lähmt“.
Kardinal Müller warnt vor Anpassung an Zeitgeist
Foto: Sebastian Kahnert (dpa-Zentralbild) | Die Formulierung der „notwendigen Modernisierung“ der Kirche sieht Kardinal Müller derzeit als „Zauberwort des Versuchers“.

Kurienkardinal Gerhard Müller sieht die „von Menschen gemachte Krise“ der Kirche in einer Anpassung an den Zeitgeist eines Lebens ohne Gott begründet. „Das Gift, das die Kirche lähmt, ist die falsche Meinung, man müsse sie dem Zeitgeist anpassen, die Gebote Gottes relativieren und die Glaubenslehre umdeuten“, erklärte Müller in seiner Predigt am Festtag der Gottesmutter Maria bei einem Gottesdienst im Rahmen einer fünftägigen Konferenz der „Fellowship of Catholic University Students“ (FOCUS) im US-amerikanischen Phoenix.

Wer glaubt, braucht keine Ideologie

Wer glaube, so Kardinal Müller, brauche jedoch keine Ideologie. Wer Gott und den Nächsten liebe, finde sein Glück im Opfer der Selbsthingabe. „Er wird froh und frei, wenn er im Geist der Liebe die Lebensform annimmt, zu der Gott ihn ganz persönlich berufen hat: in der sakramentalen Ehe, im zölibatären Priestertum oder im gottgeweihten Leben nach den drei evangelischen Räten der Armut, des Gehorsams und der ehelosen Keuschheit um des Himmelreiches willen.“

Der ehemalige Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre warnte zudem davor, dass manche aus der Kirche eine „bequeme Zivilreligion“ machen wollten. Selbst höhere kirchliche Autoritäten würden die Zustimmung einer nachchristlichen Gesellschaft und der antichristlichen Meinungsmacher in den Mainstream-Medien zu dieser Selbstsäkularisierung der Kirche mit der Zustimmung zum christlichen Glauben verwechseln. „Nicht wer den Glauben für eine Agenda vom Klimawandel bis zur Geburtenkontrolle einspannen will, kommt wieder nahe an die Kirche heran, sondern nur wer mit Petrus auf Jesus schaut und bekennt: ,Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.' (Mt 16,18)“

"Man diffamiert den Schutz des Lebens von der Empfängnis
bis zum Tod als eine konservative und rechte Position, während
man die Tötung eines unschuldigen Kindes im Mutterleib für ein
Menschenrecht reklamiert und sich deswegen für fortschrittlich hält"
Kurienkardinal Gerhard Müller

Die Formulierung der „notwendigen Modernisierung“ der Kirche sieht Kardinal Müller derzeit als „Zauberwort des Versuchers“. Jeder, der dieser Ideologie entgegentrete, werde als ihr Feind bekämpft und des Traditionalismus bezichtigt. Als Beispiel für die „Perversion der Logik“ nannte Müller den Umgang mit dem Lebensschutz: „Man diffamiert den Schutz des Lebens von der Empfängnis bis zum Tod als eine konservative und rechte Position, während man die Tötung eines unschuldigen Kindes im Mutterleib für ein Menschenrecht reklamiert und sich deswegen für fortschrittlich hält.“ In der Politik und den Medien gehe es um die Macht über die Köpfe und das Geld in den Taschen der Menschen. Deshalb müsse man die Menschen mit den Kampfparolen von konservativ oder zeitgemäß konditionieren. Im Glauben an Gott gehe es hingegen um den Gegensatz von wahr und falsch, in der Ethik um die Unterscheidung von gut und böse.

Die friedlichen Agnostiker von heute, die dem einfachen Volk die Illusion einer Religion gönnten, würden sich gerne des sinnstiftenden Potenzials der Kirche bedienen, so Müller weiter. „Denn wenn sie den geoffenbarten Glaube auch nicht für wahr halten, möchten sie ihn dennoch als Baumaterial für eine Welteinheitsreligion verwenden.“ Der Preis für den Eintritt der Kirche in die Internationale der Weltreligionen sei lediglich der Verzicht auf ihren Wahrheitsanspruch. Der Relativismus lehne sowieso die Erkennbarkeit der Wahrheit ab und präsentiere sich als Garant des Friedens aller Religionen und Weltanschauungen. Ein Katholizismus ohne Dogmen und Sakramente und ohne das unfehlbare Lehramt sei die Fata Morgana, nach der sich nicht wenige sehnten.

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Universale Wahrheit Gottes in Jesus konkret gegenwärtig

Jesus könne jedoch nicht überholt werden durch den Wechsel der Zeiten, „weil Gottes Ewigkeit alle Epochen der Geschichte und die Biographie jedes einzelnen Menschen umgreift“. In dem konkreten Menschen Jesus von Nazaret sei die universale Wahrheit Gottes konkret gegenwärtig. „Jesus Christus ist nicht die Veranschaulichung einer überzeitlichen Wahrheit, sondern ,Weg und Wahrheit und Leben' in Person (Joh 14, 56).“

Darüber hinaus wies Kardinal Müller darauf hin, dass die Kirche mit der Zeit in ihren gesellschaftlichen Veränderungen gehe. Die Theologie formuliere im Dialog mit dem modernen Weltbild der Wissenschaften und Technik die Vereinbarkeit von Glauben und Vernunft. „Sie stellt heraus, dass der Glaube eine Erkenntnis der Wahrheit Gottes ist und ein Licht, in dem wir uns selbst und die Welt in ihrem innersten Ursprung und Ziel verstehen.“ Diese Erkenntnis verdanke sich aber nur dem Wort Gottes. Die Wahrheit des geoffenbarten Glaubens, so Müller, könne weder durch innerweltliche Vernunftgründe bewiesen noch widerlegt werden.

DT/mlu

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