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"Sanctottensis": Eine Studentenverbindung zwischen Kirche und Postmoderne

Die Studentenverbindung "Sanctottensis" der Hochschule Heiligenkreuz bringt zu ihrem 10-jährigen Jubiläum eine Chronik heraus.
Die Studentenverbindung Sanctottensis
Foto: Leonard Skorczyk | Die Heiligenkreuzer Studentenverbindung feierte 2019 ihr 8. Stiftungsfest. Zum 10-jährigen Jubiläum erscheint nun die Chronik "Gesta Sanctottensis.

Das lateinische Wort „Gesta“ bezeichnete eine Textgattung und meinte damit ursprünglich Tatsachenberichte im Sinne einer Chronik; in der heutigen Verwendung scheint sich aber eine semantische Ausdehnung anzudeuten: Auch der von Alkuin Schachenmayr und Johannes Lackner im Aschendorff Verlag herausgegebene Band „Gesta Sanctottensis. Couleurwesen und Theologie“ – der natürlich auch auf Otto von Freisings berühmtes Werk „Gesta Friderici I“ anspielt –  beschränkt sich keineswegs auf eine Darstellung der jungen Heiligenkreuzer „Theologenverbindung“, sondern greift anlässlich des zehn jährigen Gründungsjubiläums weit aus.

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Die Wichtigkeit der Klöster für die Wissenschaft seit dem 19. Jahrhundert

Solchermaßen umfassen die „Gesta Sanctottensis“ Themen couleurstudentischer Kultur und theologischer Wissenschaftsgeschichte, beispielsweise skizzieren Christoph Brandhuber und Maximilian Fussl anhand einer historischen Chronik, des „Extractus Ephemericus“, eine entscheidende Entwicklungsphase der Salzburger Benediktineruniversität im 17. Jahrhundert.

Die Wichtigkeit österreichischer Stifte und Klöster für den Wissenschaftsbetrieb seit dem 19. Jahrhundert dokumentiert sich in den „Gesta Sanctottensis“ ebenso wie das Verhältnis zwischen österreichischem Adel und Klerus in der Moderne. Ein Leitgedanke des Bandes ist die Eingliederung der „Gesta Sanctottensis“ in die österreichische Geschichte, was im Beitrag von Roman Zehetmayer grundgelegt wird. Der Direktor des Niederösterreichischen Landesarchivs geht den Beziehungen zwischen der Babenberger-Dynastie und Stift Heiligenkreuz bis 1200 nach, beginnend mit der Gründung im Jahre 1133 durch den Markgrafensohn Otto von Freising, der kurze Zeit vorher in die Zisterze Morimond eingetreten war. Zehetmayer zeichnet die Konkurrenz zwischen den Stiften Heiligenkreuz und Klosterneuburg um die Gunst des Herrscherhauses nach, wobei sich die Wahl der Grablege als Indiz einer Präferenz präsentiert. Ausgeführt wird von Zehetmayer auch, dass Stift Heiligenkreuz durch Leopold V. in den Jahren 1187/1188 einen besonderen Gunsterweis durch das Geschenk der 1182 von einer Pilgerfahrt ins Heilige Land mitgebrachten Kreuzreliquie erfuhr, die bis heute in der Kreuzkirche der Zisterze im Wienerwald verehrt wird.
Diese durch den Markgrafensohn und Zisterzienser grundgelegte Verbindung zwischen Adel und Klerus gab es bis ins 19. Jahrhundert, wie Peter Wiesflecker unter dem Stichwort „Prinz und Priester“ ausführt.

Beiträge von renommierten Forschern sowie Nachwuchstalenten

Ein Profil der Theologenverbindung Sanctottensis, die auf historischem Boden und in Anbindung an die philosophische-theologische Hochschule Benedikt XVI. in Heiligenkreuz gegründet wurde, ergibt sich aus den Grußworten von Abt Maximilian Heim, Rektor Wolfgang Buchmüller sowie leitenden Verantwortlichen der Verbindung, vor allem aber auch aus Beiträgen, die sich der Gründungsgeschichte, dem studentischen Zeremoniell, der Heraldik der „Sanctottensis“, und dem Brauch der Couleurnamen widmen. Die junge Hochschulverbindung wird so zum Exempel couleurstudentischen Lebens und eines stark konturierten katholischen Milieus. Dass renommierte Forscher und Nachwuchstalente sich hier auf einer Plattform finden – sowohl was Beitragende, als auch Herausgeber der „Gesta Sanctottensis“ betrifft –  spiegelt den wichtigen Aspekt generationenüberspannender Vernetzung und Freundschaften, die für das Verbindungswesen charakteristisch sind.

Was ist der "Glaubensraum" des Österreichischen Cartellverbands?

Zwei Beiträge der „Gesta Sanctottensis“ stellen P. Nivard Schlögl OCist in ihren Mittelpunkt: Ohne die antisemitischen Tendenzen Schlögls zu verschweigen, beschreibt Martin Schwerdt ihn als großen Förderer coleurstudentischen Lebens im 20. Jahrhundert; P. Alkuin Schachenmayr präsentiert den ungemein vielseitigen – wenn auch aus heutiger Sicht politisch problematischen – Wiener Theologen mittels einer Rede, die der österreichische Schriftsteller und Kulturphilosoph Richard Kralik hielt. Anlass war die Veröffentlichung der deutschen Bibelübersetzung Schlögls, die immer noch ein Faszinosum darstellt. Mit Beiträgen wie „Zur Konstruktion des Österreichischen aus der Antimoderne“ des Grazer Historikers Dieter-Anton Binder bewegen sich die „Gesta Sanctottensis“ in Richtung Zeitgeschichte. Auch Spuren der geistes- und kulturgeschichtlichen Strömungen des Modernismus und Postmodernismus finden Berücksichtigung; erwähnt sei diesbezüglich der abschließende Beitrag des Mitherausgebers Johannes Lackner, der nach dem „Glaubensraum“ des Österreichischen Cartellverbands fragt und davon ausgehend „Überlegungen zur postmodernen Verantwortung des Glaubens“ anstellt.

Die „Gesta Sanctottensis“ porträtieren eine junge katholische Studentenverbindung, kühn und kompetent hineingestellt in einen weiten historischen Bogen vom 12. Jahrhundert bis in die Postmoderne. Die großzügigen, vielfach farbigen Illustrationen und die prachtvolle Covergestaltung tun ein Übriges dazu, dass die „Gesta Sanctottensis“ nicht nur äußerst informativ und lehrreich, sondern auch einfach als schönes und würdiges Buch auftreten, das man mit Sympathie zur Hand nimmt.


Alkuin Schachenmayr, Johannes Lackner (Hg.): „Gesta Sanctottensis. Courleurwesen und Theologie. Aschendorff Verlag 2021, Münster, ISBN 978-3-402-24780-8, S. 293, EUR 49

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