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Benedikt XVI. warnt vor Flucht in die reine Lehre

Die Lehre müsse sich in und aus dem Glauben entwickeln, nicht neben ihm stehen, so der emeritierte Papst. Zudem übt er Kritik am Begriff der „Amtskirche“.
Der emeritierte Papst Benedikt XVI.warnt vor einer „Flucht in die reine Lehre“.
Foto: imago stock&people (imago stock&people) | "Ob ich ein guter Priester und Seelsorger gewesen bin, wage ich nicht zu entscheiden", so der emeritierte Papst.

Der emeritierte Papst Benedikt XVI.warnt vor einer „Flucht in die reine Lehre“. Dieser Gedanke erscheine ihm „vollkommen unrealistisch“, äußert sich Benedikt in schriftlichen Antworten auf Fragen der „Herder Korrespondenz“, die in der August-Ausgabe publiziert werden. Als Glaubender sei man selbst ein Fragender, „der immer neu die Wirklichkeit dieses Glaubens hinter und gegen die ihn bedrängenden Wirklichkeiten des Alltags finden muss“, so der emeritierte Papst.

Benedikt wörtlich: „Eine Lehre, die wie ein Naturschutzpark abgetrennt von der täglichen Welt des Glaubens und seiner Nöte bestehen würde, wäre zugleich ein Verzicht auf den Glauben selbst.“ Die Lehre müsse sich in und aus dem Glauben entwickeln, nicht neben ihm stehen.

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Begriff "Amtskirche" insinuiert inneren Widerspruch

Zudem kritisiert der Papa emeritus den Begriff der „Amtskirche“. Man habe jenes Wort gebildet, um den Gegensatz zwischen dem amtlich Geforderten und dem persönlich Geglaubten auszudrücken. „Das Wort Amtskirche insinuiert einen inneren Widerspruch zwischen dem, was der Glaube eigentlich will und bedeutet, und seiner Entpersönlichung. Nach Ansicht Benedikts ist es inzwischen weitgehend so, dass die amtlichen Texte der Kirche in Deutschland weitgehend von Leuten geformt würden, für die der Glaube nur amtlich sei. „In diesem Sinn muss ich zugeben, dass für einen Großteil kirchenamtlicher Texte in Deutschland in der Tat das Wort Amtskirche zutrifft.“

Was die Kirche von Amts wegen sagen müsse, so der 94-Jährige weiter, sage ein Amt, nicht eine Person. „Solange bei kirchenamtlichen Texten nur das Amt, aber nicht das Herz und der Geist sprechen, so lange wird der Auszug aus der Welt des Glaubens anhalten.“ Deswegen sei es ihm stets wichtig erschienen, die Person aus der Deckung des Amts herauszuholen und ein wirkliches persönliches Glaubenszeugnis von den Sprechern der Kirche zu erwarten. Das Wort „Entweltlichung“ deute dabei den negativen Teil der Bewegung an, um die es ihm gehe, „nämlich das Heraustreten aus der Rede und den Sachzwängen einer Zeit ins Freie des Glaubens. Aber eben diese Seite, das Positive, ist damit nicht genügend ausgedrückt“.

Auf die Frage, ob er als Kaplan in der Gemeinde Heilig Blut im Münchner Stadtteil Bogenhausen selbst ein guter Priester und Seelsorger gewesen sei, antwortet der emeritierte Papst: „Ob ich ein guter Priester und Seelsorger gewesen bin, wage ich nicht zu entscheiden.“ Er habe sich auf seine Weise gemüht, „dem Anspruch meines Amtes und der Weihe zu entsprechen“.  DT/mlu

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