Unter den Amtsträgern der Anglikanischen Kirche gibt es offenbar eine Mehrheit dafür, weitreichende Änderungen an der kirchlichen Lehre im Hinblick auf Sexualität, Ehe sowie die Rolle der Frau vorzunehmen und die Kirche dadurch auf Linie mit der öffentlichen Meinung zu bringen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Umfrage der Londoner Zeitung „The Times“. Drei Viertel der Befragten sind zudem der Meinung, dass England nicht mehr als christliches Land bezeichnet werden kann.
Zu den Änderungen, für die sich die anglikanischen Kleriker mehrheitlich aussprechen, gehören die Eheschließung für gleichgeschlechtliche Paare und die kirchliche Akzeptanz von gleichgeschlechtlichem Sex sowie Sex vor der Ehe. Die gezielte Umfrage unter anglikanischen Klerikern wurde zum ersten Mal seit zehn Jahren durchgeführt. Befragt wurde eine repräsentative Auswahl von 1.200 Priestern, darunter Vikare, Pfarrer, Curate, Kapläne und pensionierte Priester, die noch als Subsidiare tätig sind, und die insgesamt sechs Prozent des anglikanischen Klerus ausmachen.
59 Prozent würden Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare anbieten
53,4 Prozent der Befragten sprachen sich für kirchliche Eheschließungen gleichgeschlechtlicher Paare aus. Das bedeutet umgerechnet, dass 10.600 der insgesamt 20.000 anglikanischen Priester in England solche Zeremonien durchführen würden. Segnungen für gleichgeschlechtliche Paare würden 59 Prozent anbieten. Die Zulassung ziviler Eheschließungen für homosexuelle Priester fordern 63,3 Prozent. Die anglikanischen Bischöfe überlegen derzeit, aufgrund der Umfrage das bestehende Verbot aufzuheben.
62,2 Prozent fordern, die Lehre der Kirche im Hinblick auf vorehelichen Geschlechtsverkehr zu ändern. Nur ein Drittel will hier bei der überlieferten Lehre bleiben. Gestiegen ist in der Umfrage auch die Akzeptanz weiblicher Priester und Bischöfe. 80 Prozent der befragten Kleriker können sich nun eine Frau als Erzbischof von Canterbury und damit als Oberhaupt der anglikanischen Kirche vorstellen.
Der Fragebogen erhob außerdem Daten zum Umgang mit Gedenkorten, beispielsweise Statuen von Personen, die etwa aufgrund von einer Beteiligung am Sklavenhandel umstritten sind. Hier sprach sich eine Mehrheit von 67,2 Prozent gegen die Zerstörung der Statuen, für ihren Verbleib und die Ergänzung der Statuen durch Informationstafeln aus. Ein weiteres Ergebnis der Umfrage ist, dass der Klerus sich zunehmend überfordert fühlt. Ein Drittel hat in den letzten fünf Jahren eine Niederlegung des Amtes erwogen, zwei Drittel sind überzeugt, dem Niedergang der Kirche nichts entgegensetzen zu können. DT/bst
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