Nach der Sommerpause wurden die Einlassungen der geschädigten Parteien fortgesetzt. Der Anwalt der Vatikanbank IOR, Roberto Lipari, erklärte zu Beginn, dass das Institut um 700 Millionen Euro gebracht worden sei, die eigentlich päpstlichen Zwecken hätten zugutekommen sollen. An erster Stelle sei also Papst Franziskus geschädigt worden, so Lipari. Zusätzlich sei aber Schaden an der Reputation der Vatikanbank entstanden: Gutachter schätzten diesen auf fast 990.000 Euro. Lipari fordert eine Rückerstattung der unrechtmäßig entwendeten Geldern sowie eine Verurteilung der Täter. Zu den Angeklagten zählen der italienische Kardinal Angelo Becciu und vier Firmen.
Kardinal Becciu soll Mitschuld am Verlustgeschäft haben
Der Prozess behandelt hauptsächlich die Finanzierung einer Londoner Geschäftsimmobilie, die von der Kirchenleitungsbehörde, dem vatikanischen Staatssekretariat, 2014 als ein Anlagenobjekt für einen dreistelligen Millionenbetrag erworben wurde. Später musste die Immobilie unter großen Verlusten wieder verkauft werden. Kardinal Becciu war während des Kaufes als zweithöchste Instanz im Staatssekretariat tätig. Er soll eine Mitverantwortung dafür tragen, dass die Behörde über zwei Finanzdienstleister Anteile an der Luxusimmobilie erwarb, ohne sich Mitspracherechte zu sichern. Damit sei die Kontrolle über die Investition in den Händen einer der Dienstleister geblieben.
Verhandlungen bis zum 6. Dezember angesetzt
Noch vor Beginn der Sommerpause hatte der Vatikan-Staatsanwalt Alessandro Diddi für Becciu sieben Jahre und drei Monate Haft sowie knapp 10.000 Euro Geldstrafe gefordert. Auch den weiteren neun Angeklagten drohen Haft- und Geldstrafen. Der 75-jährige Becciu, der seit Mitte 2021 als erster Kardinal überhaupt im Vatikan vor Gericht steht, hat alle Anschuldigungen von sich abgewiesen.
Im Rahmen des wiederaufgenommenen Prozesses sollen zukünftig auch das Staatssekretariat, die Güterverwaltung des Apostolischen Stuhls APSA, die vatikanische Finanzaufsichtsbehörde ASIF sowie der frühere Verwaltungsleiter im Staatssekretariat, Alberto Perlasca, zu Wort kommen. Nach den Aussagen der geschädigten Instanzen stehen die Plädoyers der Verteidiger an. Am 6. Dezember soll der letzte Verhandlungstermin stattfinden. Daraufhin könnte ein Urteil gefällt werden. DT/jmo
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.