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Gewinner Wojtyła

Die Debatte um Johannes Paul II. hat für einige Überraschungen gesorgt. Wie geht es nun weiter?
Statue des Heiligen Papstes Johannes Paul II. in Warschau. Die Causa Wojtyla lehrt, vom Personenkult Abstand zu nehmen.
Foto: Tomasz Gzell (PAP) | Statue des Heiligen Papstes Johannes Paul II. in Warschau. Die Causa Wojtyla lehrt, vom Personenkult Abstand zu nehmen.

Es klingt paradox, aber wenn man dem polnischen Umfrage-Institut "IBRiS" glauben darf, dann hat sich die kritische Berichterstattung über Johannes Paul II. während der vergangenen Wochen im Heimatland des Papstes positiv auf sein Ansehen ausgewirkt. 72 Prozent betrachten ihn nun als Autorität, vorher waren es lediglich 58 Prozent. Das war mit Sicherheit nicht die Absicht der Produzenten der "TVN"-Reportage "Franciszkaska 3", die den Stein des Vorwurfs der Missbrauchsvertuschung durch Karol Wojtyła ins Rollen brachte, und vermutlich auch nicht die Intention des holländischen Journalisten und Autors Ekke Overbeek, der mit seinem Buch "Maxima Culpa. Johannes Paul II. wusste Bescheid" bald darauf nachlegte. Gestützt auf seriöse und unseriöse Quellen und - wie sich nun immer mehr zeigt - ziemlich hanebüchene Ableitungen. 

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Fast 20 Jahre nach seinem Tod bleibt Karol Wojtyła somit in Polen sein "guter Name" erhalten, auch wenn mittlerweile sogar renommierte katholische Journalisten des Landes zugegeben haben, dass er "ein Kind seiner Zeit" war. Ohne dass man ihn, sein Denken und seine Reputation als Heiliger deshalb komplett infrage stellen müsse. Das ist zweifellos ein Fortschritt, an dem auch Persönlichkeiten der polnischen Zivilgesellschaft ihren Anteil haben: Publizisten wie Adam Michnik oder Tomasz Lis etwa, aber auch der derzeitige Oppositionsführer Donald Tusk.

Gegen die Vereinnahmung von rechtskatholischen Kräften

Gegen die Erwartungshaltung mancher national-konservativer Hardliner haben diese Prominenten ihre Verbundenheit mit dem Mann aus Wadowice zum Ausdruck gebracht und so dazu beigetragen, dass Johannes Paul II. nicht - wie es sich zuerst leider abzeichnete - von rechtskatholischen Kräften in Politik und Kirche vereinnahmt wurde, was der globalen und philosophischen Weite Wojtyła auch nicht gerecht geworden wäre. Aber diese drei haben auch so manchem links-radikalen "Shitstorm" die Kraft genommen. Besonders den Publizisten, die quasi gegen ihr eigenes Leser-Milieu ihren Standpunkt vertreten haben, gehört dafür Dank. Sie haben ein starkes Rückgrat bewiesen - gerade in der heutigen Zeit, da a-priori-Verurteilungen auf beiden Seiten des Eisernen Meinungsvorhangs en vogue sind, eine Seltenheit.

Ein weiterer unerwarteter Gewinner der Debatte um Johannes Paul II. ist die Kirche Polens, die nach anfänglichem Taumeln schnell zu einer klaren Linie der Transparenz gefunden hat, ohne sich von den radikalen Kräften an den Rändern erpressen zu lassen. Die kirchlichen Archive werden zukünftig den Experten offenstehen, das hat die Bischofskonferenz via Kommuniqué  in Aussicht gestellt; daran wird sich die weitere historische Aufarbeitung von Missbrauchsfällen innerhalb der Kirche messen lassen müssen. Damit nicht noch einmal überhitzte a-priori-Kommentare von der ein oder anderen Kanzel abgeschossen werden, empfiehlt es sich aber, noch stärker vom Personenkult Abstand zu nehmen, der bisher den polnischen Katholizismus geprägt hat. So sehr Heilige wie Wojtyła auch als integrierende Vorbilder in Zeiten der Zerrissenheit taugen mögen, die Gefahr, dass man damit einer Form von Reinheits-Kult huldigt, darf nicht übersehen werden. Das Evangelium verlangt mehr von Gläubigen.

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