Bereits 2011 habe der am Samstag verstorbene emeritierte Papst Benedikt XVI. mit seiner Freiburger Konzerthausrede zur „Entweltlichung“ die Gefahr der Selbstverschließung und des Verlusts der Vertikalen in der Kirche erkannt, schreibt der Münchner Theologe Andreas Wollbold.
Bei Benedikts Konzerthausrede habe der damalige Papst sich vor einer Welt erhoben, deren Denken, Strukturen und Selbstverständlichkeiten von der Horizontalen geprägt sei, so Wollbold in einem Essay für die kommende Sonderausgabe der „Tagespost“ zum Tod Benedikts XVI. Dabei habe der Papst nicht Strukturwandel gegen Herzensänderung ausspielen wollen.
Die Gefahr der Selbstverschließung erkannt
Benedikt habe in der Kirche als Organisation, als Apparat, die Gefahr der Selbstverschließung erkannt. Was für säkulare Institutionen funktionieren könne, sei aber nicht gut für die Kirche, meint Wollbold und zitiert Papst Benedikt: „Um ihrem eigentlichen Auftrag zu genügen, muss die Kirche immer wieder die Anstrengung unternehmen, sich von dieser ihrer Verweltlichung zu lösen und wieder offen auf Gott hin zu werden.“
Verweltlichung unterwerfe laut Wollbold die Kirche den Erwartungen der Welt: Sie lasse sich zum Beispiel durch Wertevermittlung zum Funktionieren der Gesellschaft gebrauchen. Im Gegenzug erhalte sie gewisse Privilegien, wie den schulischen Religionsunterricht. „Für den Skandal des Kreuzes dagegen ist hier kein Platz“, so Wollbold.
Die Analyse des Papstes vor nun zwölf Jahren sei „hellsichtig“ gewesen, auch in Bezug auf die Missbrauchsskandale. Diese müssten schonungslos aufgearbeitet werden, so Wollbold. Aber Benedikt habe schon früh die Gefahr gesehen, dass dieser Skandal an die Stelle des skandalon des Kreuzes treten könne. Die Aufarbeitung von Skandalen dürfe, so Wollbold, nicht die Sendung der Kirche verdecken. DT/sdu
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