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Wenn Gott den Bambus versetzt

Wie Schwester Helena ihre Berufung bei den Auerbacher Schulschwestern entdeckte.
Schwester Helena
Foto: privat | Die Marienverehrung spielt im Leben Schwester Helenas eine wichtige Rolle.

Mein Zugang zum Rosenkranzgebet hat sich schon öfters verändert. Anfangs war es für mich ein Halt, weil es mein tägliches Gebet war, als ich es noch nicht geschafft habe, mir eine tägliche Gebetsstunde freizuhalten. Ich wusste aber, Rosenkranz ist dran, dann gehe ich spazieren und bete den Rosenkranz. Dann kamen Anliegen dazu, Betrachtungen, Meditationen. Ich mag auch die Vorstellung vom Rosenkranz als Eintritt in den Garten Eden: Mit dem Glaubensbekenntnis knackt man sozusagen den Code, dann geht mit dem Vaterunser die Tür auf, man steht vor den Seraphim und geht bildlich in den Garten Eden, sieht Maria und betrachtet dort die Geheimnisse mit ihr.“ Schwester Helena muss immer wieder lachen, als sie über den Rosenkranz fachsimpelt. Wobei fachsimpeln sicher das falsche Wort ist. Wenn sie über ihre Glaubenspraxis spricht, wirkt die 27-Jährige eher wie jemand, der frisch verliebt vom neuen Partner erzählt. Und ganz so alt ist die Liebe auch noch nicht. Gerade hat sie bei den Auerbacher Schulschwestern die „zeitliche Profess“, ein Versprechen für drei Jahre abgelegt. Solange ist sie gewissermaßen mit Jesus verlobt – die ewige Profess, das Gegenstück zur Ehe, um im Bild zu bleiben, folgt erst in einigen Jahren.

Die Ordensberufung war für die junge Frau aus der Nähe von Heilbronn keine Liebe auf den ersten Blick. Aber doch ein Weg voller Wunder. Aufgewachsen in einer vom Sonntagsgottesdienst geprägten Familie beginnt ihre innere Hinwendung zum Glauben so richtig erst mit 19 Jahren. Während eines Auslandssemesters in Großbritannien muss sie sich erstmals selbst die Frage beantworten, ob sie den gewohnheitsmäßigen Besuch des Sonntagsgottesdienstes eigentlich fortsetzen will oder nicht. „Es war mir schon wichtig, aber ich wusste noch nicht so richtig, warum“, erinnert sich Schwester Helena. Zuvor immer als Ministrantin engagiert, sitzt sie zum ersten Mal seit Jahren nur als Teilnehmerin in einer Messe. Sofort herzlich in der kleinen Gemeinde aufgenommen, besucht sie in den folgenden Monaten regelmäßig Katecheseabende. „Ich habe damals nicht viel Bibel gelesen, aber der Priester hat es immer geschafft, die wenigen behandelten Verse auf das Geschehen in der Welt oder soziale Situationen zu beziehen. Ich habe einfach im Herzen gemerkt, er spricht die Wahrheit. Ich konnte das an nichts festmachen, es war einfach so eine Gewissheit. Gleichzeitig habe ich aber gemerkt, ich lebe ganz anders. Ich war damals noch in einer Beziehung, und mein ganzer Lebensstil war konträr zu dem, was er erzählt hat.“

Von Medjugorie nach Auerbach

So prallen in ihr die erwachende Sehnsucht nach Gott und die Erkenntnis zusammen, dafür anders leben zu müssen. „Zwischenzeitlich war ich dann auch sauer, habe gedacht, das kann? doch jetzt nicht sein. Ich wollte mein Leben ja nicht ändern.“ Wieder zuhause in Deutschland ist es nicht leicht, die in England verwirklichten Änderungen in die alten Strukturen zu übertragen. Ein Rosenkranz-Gebetskreis weniger Frauen erweist sich als unerwartete Bestärkung. „Ich habe die vorher immer für erzkonservativ, streng katholisch und rundum abstoßend gehalten. Dann war ich plötzlich selbst dabei“, sagt Schwester Helena und lacht. „Die hatten einfach einen tieferen Glauben, da war etwas Anziehendes dabei.“

Frauen der Gruppe motivieren sie schließlich, nach Medjugorje zu fahren. Die damalige Psychologiestudentin sieht die Berichte von erfüllt zurückkommenden Medjugorjereisenden skeptisch. „Dass man Frieden an einem Ort festmacht“ – das will sie nicht glauben. Bereits auf der Fahrt empfiehlt ihr eine junge Frau eine Wohngemeinschaft der Auerbacher Schulschwestern in Eichstätt, wo sie anschließend für ihren Masterabschluss hinziehen will. In Medjugorie selbst erfährt dann aber auch sie die „Ortsgnade“: „Bei Sachen, wo ich sehr in meinen alten Verhaltensmustern gekämpft habe, wo ich auch so oft gefallen bin, da hat dieser Kampf mit einer Beichte dort einfach aufgehört. Gleichzeitig war an diesem Tag auch mein Tauftag, was ich erst hinterher erfahren habe.“

In Eichstätt entsteht zunächst nur ein loser Kontakt zu den Schulschwestern. Dann jedoch stirbt der Cousin. „Er hat auch nicht das vorbildlichste Leben gehabt, und ich habe mich gefragt, werde ich ihn in der Ewigkeit wiedersehen? Ich habe dann sehr stark dafür gebetet und bin irgendwie darauf gekommen, Gott etwas als Tausch anzubieten. Natürlich wusste ich, er ist nicht abhängig von meinen Opfern, aber es war mir einfach ein Herzensanliegen.“ Sie beschließt, Gott ihren größten Wunsch anzubieten, um den Cousin im ewigen Leben wiederzusehen: den Partnerwunsch. „Ich habe Jesus gesagt, ich kann das überhaupt nicht aus eigener Kraft, ich sehne mich doch so, nicht alleine zu bleiben. Es gab dann irgendwann einen Moment nach den ganzen Gebeten, an dem ich so befreit davon war, dass ich gemerkt habe, jetzt ist es gut, jetzt bin ich für beides offen.“
Am Abend des gleichen Tages bekommt die Studentin eine E-Mail von den Schulschwestern aus Eichstätt, die sie einladen, am Wochenende zu einem Priesterjubiläum mit ins Mutterhaus nach Auerbach zu fahren. Die Seminare, die sie eigentlich hätte besuchen müssen, fallen aus, so dass sie Zeit hat, mitzukommen.

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Berufung und Gewissheit

In Auerbach spürt sie, dass „irgendetwas passiert“. Abends, als der fröhliche Tag fast vorbei, sitzt sie in der Vesper. Der Jubilar liest zum Dank eine Geschichte vor. „Darin ging es um einen Bambus – was auch der Spitzname meines Cousins war, alle haben ihn nur so genannt. Jedenfalls will Gott den Bambus in dieser Geschichte versetzen, weil er ihn größer und schöner machen will: ,Und er nahm ihm das Herz heraus und pflanzte es an einer anderen viel schöneren Stelle ein‘ heißt es da sinngemäß. Mich hat das getroffen wie der Blitz, ich wusste dann, Gott hat mein Gebet erhört und er nimmt das an, was ich ihm angeboten habe. Und was damit kam, wofür ich keine natürliche Erklärung habe, ist, dass der Partnerwunsch komplett weg war. Ab dieser Sekunde war mir klar: Familie ist schön und gut, aber sie wird nicht meine Berufung sein, und das hält bis heute an. Anders als durch Gnade kann ich mir das nicht erklären. Die Frage Kloster hatte sich fünf Tage vorher gestellt, und plötzlich war alles klar.“

2020 wird Schwester Helena Kandidatin. Nun hat sie gerade das Noviziat beendet, und ist, so könnte man sagen, endgültig in ihrem neuen Leben angekommen. In der Nähe von Auerbach arbeitet sie als Psychologin in einer Behinderteneinrichtung. Das Kloster ist zu einem Zuhause geworden. Natürlich, keine Berufung ist völlig frei von Zweifeln. Dennoch: Auf die anfängliche Gewissheit kann sie sich immer noch berufen. Im steten Dialog mit Gott und auch den Ordensoberen lassen sich auch geistliche Flauten überwinden. „Für mich“, sagt Schwester Helena, „ist das einfach der Ort“.

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