Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Der Wochenheilige

Mykolay Charnetskyi: Redemptorist der Schmerzen

600 Stunden der Folter prägten lange Jahre der Gefangenschaft des ukrainischen Seligen Charnetskyi. Nach seiner Freilassung lobte er Gott.
Elf Jahre Straflager und grenzenlose Hingabe an Gott prägten das Leben von Mykolai Charnetskyi.
Foto: Matthias Tödt (dpa-Zentralbild) | Elf Jahre Straflager und grenzenlose Hingabe an Gott prägten das Leben von Mykolai Charnetskyi.

Im Juni 2001 besuchte Papst Johannes Paul II. die Ukraine. Ein Höhepunkt des Besuchs war die heilige Messe am 27. Juni in Lwiw im byzantinisch-slawischen Ritus, in der 25 Märtyrer der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche seliggesprochen wurden: acht Bischöfe, dreizehn Priester, drei Ordensfrauen und ein Laie. Namengeber dieser Gruppe ist der selige Bischof Mykolay Charnetskyi, dessen Gedenktag die Kirche 2. April feiert.

Mykolay Charnetskyi wurde am 14. Dezember 1884 als ältestes von neun Kindern einer Bauernfamilie in dem kleinen westukrainischen Dorf Semakivtsi geboren. Gleich nach der Schule trat er in das Priesterseminar von Stanislau, heute Iwano-Frankiwsk, ein. Sein Bischof, der ebenfalls seliggesprochene Hryhoriy Khomyshyn, erkannte die große Begabung des jungen Mannes und sandte ihn zum Studium nach Rom, wo er an der Päpstlichen Universität Urbaniana in Theologie promovierte. Noch während des Studiums wurde er am 2. Oktober 1909 zum Priester geweiht.

Er bemühte sich um die Einheit der Christen

Nach mehreren Jahren als Spiritual am Priesterseminar von Stanislau, wo er auch Philosophie und Dogmatik lehrte, gab es eine geistliche Wende im Leben von Mykolay Charnetskyi: Er trat im Oktober 1919 in das Noviziat der Redemptoristen ein und legte dort ein Jahr später, mit 35 Jahren, die Ordensgelübde ab. 1926 eröffneten die Redemptoristen, die nach dem Ersten Weltkrieg zu Polen gekommen waren, ein Missionshaus in Kowel in der Westukraine. Hier, wo Orthodoxe und Katholiken westlichen und östlichen Ritus‘ zusammenlebten, bemühte Charnetskyi sich um die Einheit der Christen und den Dialog mit den Juden. Sein Wirken fand auch in Rom Beachtung: Papst Pius XI. ernannte ihn zum Titularbischof von Lebed und Apostolischen Visitator für die ukrainischen Katholiken in Volhyn und Pidliashsha. Am 8. Februar 1931 wurde er als erster ukrainischer Redemptorist in Rom zum Bischof geweiht.

Lesen Sie auch:

Als 1939 die Sowjets das Gebiet besetzten, ging Bischof Charnetskyi nach Lwiw, wo er ab 1941 an der wiedereröffneten theologischen Akademie Philosophie, Psychologie und Moraltheologie lehrte. Bei seinen Studenten stand er in dem Ruf, ein vorbildlicher Ordensmann zu sein. 1944 erfolgte ein zweiter Einmarsch der Roten Armee. Bischof Charnetskyi wurde vorgeworfen, als „Agent des Vatikans“ zu agieren. Am Abend des 11. April 1945 drangen sechs sowjetische Geheimagenten in sein Zimmer im Redemptoristenkloster ein, verwüsteten es auf der Suche nach „Beweisen“ und verhafteten den Bischof. Im Gefängnis folgten lange Verhöre unter Misshandlungen und Folter. Dann wurde er nach Kiew verlegt, wo er auf den ebenfalls inhaftierten ukrainischen Großerzbischof und späteren Kardinal Jossyf Slipyj traf. Beide wurden nach Sibirien verbannt.

Elf Jahre der Folter und Gefangenschaft

Bischof Charnetskyi verbrachte insgesamt elf Jahre in über dreißig verschiedenen sibirischen Lagern und wurde über 600 Stunden gefoltert. 1956 befand sich der nunmehr 72-jährige in einem derart desolaten Gesundheitszustand, dass die Autoritäten fürchteten, er würde im Lager versterben. Daher sandte man ihn zurück nach Lwiw. Auf der langen Bahnfahrt wurde er von zwei weiteren entlassenen Häftlingen gestützt, da er nicht mehr laufen konnte. Seine Mitbrüder in Lwiw brachten ihn sofort in das Krankenhaus der Vinzentinerinnen, die beim Anblick des völlig abgemagerten alten Bischofs zu weinen begannen, woraufhin er sie tröstete: „Weint nicht. Lasst uns lieber in die Kapelle gehen und ein ,Te Deum‘ singen, um dem Herrn zu danken.“

Mykolay Charnetskyi lebte nach seiner Entlassung aus der Lagerhaft noch drei Jahre, zurückgezogen in seiner Klosterzelle, wo er die Tage mit Gebet und geistlicher Lektüre verbrachte und Priesteramtskandidaten auf die Weihe vorbereitete. Mindestens zehn Priesterweihen nahm er in dieser Zeit noch vor, bevor er am 2. April 1959, dem Donnerstag in der Osteroktav, starb. Der Bericht der Redemptoristen über sein Begräbnis am 4. April endet mit den Worten: „Wir alle denken, dass der Tag seiner Heiligsprechung kommen wird, denn er war wirklich ein heiligmäßiger Bischof.“ Sein Grab, das nach seinem Tod zum Wallfahrtsort wurde, befindet sich in der Redemptoristen-Kirche Sankt Josafat in Lwiw.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Claudia Kock Bischöfe Johannes Paul II. Orthodoxe Pius XI. Priesterseminare Päpste

Weitere Artikel

Auf den mutigen Priester wartet die Erhebung zur Ehre der Altäre: Im Ersten Weltkrieg wurde er zum Pazifisten, die Nationalsozialisten machten ihn zum Märtyrer.
17.04.2024, 09 Uhr
Peter Winnemöller
Der Beichtvater der Heiligen Schwester Faustyna Kowalska wurde selber selig gesprochen. Er war Dozent und Militärseelsorger.
14.02.2024, 21 Uhr
Claudia Kock

Kirche

Yannick Schmitz, Referent beim Berliner Vorortspräsidium des Cartellverbandes, sieht gute Gründe dafür, dass der Verband künftig wahrnehmbarer auftritt.
27.04.2024, 13 Uhr
Regina Einig
Jesus macht sich eins mit dem Volk der Sünder - auch im Gebet, meint Papst Franziskus in einer Katechese über das Beten.
28.04.2024, 17 Uhr
Papst Franziskus