Der Missbrauchsbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, hat sich „beeindruckt“ von dem Schuldeingeständnis des Münchner Kardinals und Erzbischofs, Reinhard Marx, gezeigt. Eine solche persönliche Verantwortungsübernahme wünsche er sich auch von anderen Bischöfen, sagte Rörig der „Katholischen Nachrichten-Agentur“ (KNA). Das wäre vor allem für die Betroffenen ein sehr wichtiges Zeichen.
Missbrauchsopfer reagieren enttäuscht auf Marx-Stellungnahme
Für ihn sei es sehr positiv, dass Marx sich sehr differenziert mit dem Thema umfassenden Versagens auseinandergesetzt habe und auch den Wandel seiner Einstellungen nachvollziehbar dargestellt habe, besonders, was seine Empathie gegenüber den Betroffenen angehe. Er begrüße es auch, dass Marx sich durchaus offen für Reformen bei den bislang gezahlten Anerkennungsleistungen gezeigt habe und dort noch "Entwicklungsbedarf" sehe. Er habe die Hoffnung, so Rörig weiter, dass die Kirche durch derartige Bekenntnisse auch Kraft für einen Weg heraus aus dem "historischen Fiasko", in dem sie sich befinde, und für eine Erneuerung schöpfen könne.
Im diametralen Widerspruch zu den Äußerungen Rörigs äußerte sich der Sprecher der Betroffeneninitiative Eckiger Tisch, Matthias Katsch. „Das war für Betroffene schwer erträglich“, so Katsch. Er forderte „endlich“ eine Hinwendung zu den Missbrauchsopfern. Es gebe bis heute keine unabhängige Anlaufstelle für Missbrauchsopfer, weiterhin müssten Ehrenamtliche wie die Freiwilligen des Eckigen Tischs diese Arbeit machen. „Es gibt immer noch kein Opfergenesungswerk, es gibt immer noch keine faire, angemessene Entschädigung“, kritisierte Katsch.
Es falle ihm wirklich schwer, „auf dieses selbstzentrierte Gerede von Kardinal Marx wirklich zu antworten“. Katsch sagte, Marx sei offensichtlich der Meinung, ohne die Bischöfe und ohne ihn gehe es nicht. "Vor einer Woche ist das Schiff auf Grund gelaufen - heute erklärt uns der Kapitän, dass er unbedingt an Deck bleiben muss." Und er ergänzte: „Ich bin wirklich mit meinem Latein am Ende.“
Schüller: Verantwortung wird vergemeinschaftet
Der Kirchenrechtler Thomas Schüller kritisierte ebenfalls die Reaktion des Münchner Kardinals auf das Missbrauchsgutachten. „Niemand übernimmt persönliche Verantwortung“, sagte Schüller der Deutschen Presse-Agentur. „Das Erzbistum München-Freising geht in den normalen Verarbeitungsmodus über und macht auf business as usual.“ Verantwortung werde vergemeinschaftet und die Betroffenen und Gläubigen würden in Mithaftung genommen. Das Ganze werde „garniert mit Lyrik des Synodalen Weges“, des derzeitigen Reformprozesses in der katholischen Kirche. „Mit einem Wort: enttäuschend“, sagte Schüller.
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