Soll man Bischöfe auch posthum noch für ihre Taten und Unterlassungen zur Rechenschaft ziehen? Über diese Frage ist im Erzbistum Paderborn eine lebhafte Debatte entbrannt. Vor zehn Tagen kündigte das Metropolitankapitel des westfälischen Erzbistums an, zur Wiedereröffnung der jüngst sanierten Krypta des Domes, an den dortigen Bischofsgräbern eine Gedenktafel, die an das Fehlverhalten ehemaliger Bischöfe im Umgang mit Missbrauch erinnert, anzubringen. Später solle ein QR-Code folgen, der auf eine Webseite führt. Diese Seite solle neben den Verfehlungen auch die Lebensleistung der Bischöfe berücksichtigen, teilte in dem Zusammenhang eine Bistumssprecherin mit. In Paderborn fand die Initiative ein geteiltes Echo.
Streit um Gedenktafel
Die Gedenktafel an den Bischofsgräbern brachte die Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz, Schwester Anna Mirijam Kaschner, in einem Kommentar auf domradio.de in Verbindung mit der Inschrift am Kreuz Jesu. Die Ordensschwester begründete dies vor allem mit der Tatsache, dass die verstorbenen Kardinäle der irdischen Gerichtsbarkeit entzogen seien.
Man könne fragen, so Kaschner, warum dann konsequenterweise nicht an jedem Grab eines pädophilen Familienvaters, eines jeden Vergewaltigers, eines jeden Lehrers, der noch vor 50 Jahren seine Schüler verprügelt habe und an jedem Grab einer Mutter, die ein oder mehrere Kinder abgetrieben habe, genau solche Schuldtafeln zu finden seien. Tatsächlich werde in unserem Kulturkreis, natürlich unabhängig von möglichst objektiver historischer Aufarbeitung, eine „Damnatio memoriae“ eher als ungehörig angesehen.
Den Text auf der Tafel hatte das Paderborner Metropolitankapitel formuliert. Für längere Zeit war die Krypta des Paderborner Domes geschlossen gewesen. Mithin konnten die Gräber der dort ruhenden verstorbenen Bischöfe nicht besucht werden. Den Kardinälen Johannes Joachim Degenhardt und Lorenz Jäger wird in einem Zwischenbericht der bei der Universität Paderborn in Auftrag gegebenen Studie schweres Fehlverhalten im Umgang mit sexuellem Missbrauch vorgeworfen. Wie ein Betroffenensprecher dem WDR gesagt hatte, hätten die Verantwortlichen des Erzbistums dem Vorschlag, die Tafel aufzustellen, schnell zugestimmt.
Für Betroffene wichtig
Die Chefradakteurin der Paderborner Bistumszeitung „Der Dom“, Claudia Auffenberg, rechtfertigte die Aufstellung der umstrittenen Schilder in einem Kommentar für das Nachrichtenportal katholisch.de. Man müsse die Perspektive der Betroffenen einnehmen. Man habe ihnen Jahre und Jahrzehnte nicht geglaubt. Das dürfe man nicht vergessen, so Auffenberg. Für die Betroffenen seien solche Hinweistafeln wichtig, denn sie bedeuteten endlich ein offizielles und öffentliches Anerkennen ihres Leids, so die Paderborner Redakteurin. Sei unterstellt im Kommentar, mit diesen Aktionen werde das Bemühungen der heute Verantwortlichen sichtbar, „es jetzt irgendwie richtig zu machen“. Zugleich fordert Auffenberg die lebenden Verantwortlichen von einst auf, schon jetzt zu reden und nicht auf Studien zu warten.
Da auch in anderen Bistümern, zum Beispiel in Münster ähnliche Infotafeln an Bischofsgräbern angebracht wurden oder deren Anbringung geplant ist, dürfte die Debatte noch lange nicht zu Ende sein. Hier verlangt es noch einige Überlegungen über den Umgang mit verstorbenen Bischöfe. Diskussionen um Straßenumbenennungen und Aberkennungen von Ehrenbürgerwürden zeigen, dass dies kein reines kirchliches Problem darstellt. Der Bischof-Stein-Platz in Trier wird künftig "Platz der Menschenwürde" heißen. Das wird nicht die letzte derartige kommunale Maßnahme sein.
De mortuis
Selbst die akademische Welt bleibt davon nicht unberührt, wie die Diskussion um die Aberkennung der Ehrendoktorwürde für Bischöfe Klaus Hemmerle an der RWTH Aachen zeigt. Diese kann posthum nicht entzogen werden, wie die Hochschule mitteilte. Die Begründung der RWTH kann als beispielhaft für die künftige Diskussion gelten. Auch die Hochschule stellte fest, dass sich Verstorbene nicht mehr gegen die erhobenen Vorwürfe verteidigen könnten. Selbst Strafverfahren würden nach dem Tod eines Angeklagten eingestellt, so die Uni. Die Diskussion um den Umgang mit verstorbenen Bischöfen wird uns in vielen Bistumsstädten noch eine Weile erhalten bleiben.
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