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Wenn die Kirche plötzlich zu klein ist

Die zahllosen jungen Menschen, die an Aschermittwoch in die Gottesdienste drängten, sind Weckruf und Hoffnung für eine Kirche in der Depression.
Volle Kirchen am Aschermittwoch
Foto: IMAGO/Cris Faga (www.imago-images.de) | Volle Kirchen am Aschermittwoch: Spirituelles Interesse und der Wunsch, es mit einem Blick in die eigene religiöse Tradition zu stillen, sind gewachsen. Dazu mag auch die weltpolitische Situation beitragen.

Schon fünf Minuten vor Beginn des Gottesdienstes ist das Hauptschiff bis auf den letzten Platz besetzt, auch in den Seitenschiffen wird es eng. Und immer mehr Leute steigen die Stufen zum Kirchenportal hinauf, zwischen biertrinkenden und fröhlich schwatzenden Jugendlichen hindurch, die den lauen Abend in der Großstadt genießen. Die, die da in die Kirche drängen, sind genauso jung und genauso gut gelaunt. Die beiden Priester, die mit den Messdienern beim Eingang auf dem Einzug warten, können ihr Glück kaum fassen. Schnell werden Stühle aus dem Pfarrsaal herangeholt, weitere Sitzreihen improvisiert. 

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Nicht wenige der üblichen Kirchgänger dürften sich an diesem Aschermittwoch verwundert die Augen gerieben haben, als sie ihre heimatliche Pfarrkirche in Frankreich oder Belgien betraten, denn in zahllosen Städten und Dörfern bot sich das gleiche Bild: überfüllte Kirchenräume, vor allem junge Menschen im Schul- und Studentenalter, oft kommen sie in Gruppen, viele zum allerersten Mal. Dutzende bitten direkt im Anschluss an die Messe um die Taufe. Die konfessionelle Presse in Frankreich beschäftigt sich seither mit der Frage: Woher kommt dieser unglaubliche Andrang gerade jetzt? 

Getrieben von der Sehnsucht nach Transzendenz

Der dieses Jahr nahezu zeitgleiche Beginn von Fastenzeit und Ramadan könnte ein Grund sein: Muslimische Klassenkameraden und Kommilitonen leben ihren Glauben offener – um nicht zu sagen, offensiver –, was zu einer Bewusstwerdung der eigenen religiösen Tradition führen mag, so eine Vermutung. Fragt man die jungen Leute selbst, wie es etwa das Wochenmagazin „Famille chrétienne“ getan hat, sind die Antworten aufschlussreich: Tatsächlich spielt die Suche nach Stabilität und Rahmen in unsicheren Zeiten und Familiensituationen eine Rolle. Nicht wenige sind auf der Suche nach einer soliden Identität und forschen in der eigenen Kultur danach. Das gilt auch für junge Eltern, die ihr Neugeborenes taufen lassen möchten.

Andere sind durch christliche Influencer auf den Aschermittwoch und den Sinn des Fastens aufmerksam geworden. Bei vielen schwingt die Sehnsucht nach Transzendenz mit. Ganz offensichtlich trauen sich jüngere Menschen auch immer häufiger, interessierte Freunde mit in die Kirche zu nehmen, anstatt sich verschämt das Aschenkreuz von der Stirn zu wischen. Schon letztes Jahr ließ sich in Frankreich eine Rekordzahl von über 12.000 Jugendlichen und Erwachsenen taufen und alles deutet darauf hin, dass diese Zahl dieses Jahr noch übertroffen wird. Und Konversionen entfalten auch im eigenen sozialen Umfeld ihre Wirkung. 

Spirituelles Interesse und der Wunsch, es mit einem Blick in die eigene religiöse Tradition zu stillen, sind gewachsen. Dazu mag auch die weltpolitische Situation beitragen: Not lehrt beten, heißt es nicht umsonst. Das Bewusstsein, dass es mit allen Sicherheiten und nicht zuletzt dem eigenen Leben ganz schnell zu Ende sein kann, steigt. Das ist nicht irgendwie belächelnswert, sondern eine unglaubliche Chance zur Evangelisierung, denn die Sehnsucht, die da zum Ausdruck kommt, ruft nach Antwort.

Gottesbegegnung statt ständiges Um-sich-selbst-Kreisen

Vielleicht hat gerade die religiös wenig bis gar nicht vorgebildete Jugend, auf die manch einer der älteren Generationen vielleicht gerne herabsieht, instinktiv begriffen, wozu die Kirche da ist: Gottesbegegnung statt ständiges Um-sich-selbst-Kreisen, Glaubenserfahrung statt Machtgerangel, Versöhnung, Umkehr und Buße statt stolzes Pochen auf vermeintliche Rechte. 

Vor diesem Hintergrund wirkt es etwas aus der Zeit gefallen, wenn gleichzeitig eine Reihe überalterter Frauenverbände zum Streik aufrufen: In Frankreich macht das „Comité de la jupe“, in Deutschland Maria 2.0 bei dem „Catholic Women Strike“ mit – ein Aufruf an Frauen, ihr kirchliches Ehrenamt während der Fastenzeit niederzulegen, um auf die „Diskriminierung“ von Frauen in der Kirche – lese: Ausschluss vom Priestertum – aufmerksam zu machen. 

Wem es wirklich um die Seelen geht, der darf sich nämlich gerade jetzt eingeladen fühlen, im Katecheten- oder einem anderen Dienst mit Hand anzulegen. Schließlich haben die streikenden Damen in einem Punkt recht: Die Arbeit von Laien – Männern und Frauen – in der Katechese und Mitgestaltung des Gemeindelebens ist unschätzbar wichtig. Jetzt mehr denn je. 

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