An mehreren Orten Deutschlands gab es Anfang Januar Aufregung um „falsche Sternsinger“: In Vechta etwa, einem der traditionell katholischsten Flecken der Bundesrepublik, wurde eine 39-jährige Frau bei der Polizei angezeigt, weil sie mit ihren zwei Töchtern und einem weiteren Kind in Sternsingerkostümen von Haus zu Haus zog und Süßigkeiten und Geldspenden sammelte; gegen sie wird wegen Betrugs ermittelt.
Wer mit den Verhältnissen im katholischen Verbandswesen Deutschlands vertraut ist, wird sich über diesen Vorgang kaum wundern; alle anderen dürften sich fragen, was eigentlich „falsche“ Sternsinger sein sollen und warum ein Jahrhunderte altes katholisches Brauchtum, das zudem seit 2015 auf der UNESCO-Liste des immateriellen Weltkulturerbes steht, derart kriminalisiert wird.
Auch der BDKJ ist an der Organisation beteiligt
Die Antwort lautet: In Deutschland gibt es seit 1958 die „Aktion Dreikönigssingen“ des Kindermissionswerks „Die Sternsinger“, seit 1961 ist der BDKJ an der Organisation beteiligt, und im Jahr 2003 hat sich das Kindermissionswerk den „Gesamtzusammenhang der Aktion Dreikönigssingen“ urheberrechtlich schützen lassen.
Wie immer man über die Legitimität eines solchen Alleinvertretungsanspruchs urteilen mag, dürfte es auf der Hand liegen, dass ein Betrugsvorwurf nur dann gerechtfertigt wäre, wenn die sogenannten „falschen“ Sternsinger behauptet oder zumindest den Eindruck erweckt hätten, sie sammelten für das Kindermissionswerk – was die Beschuldigte aus Vechta bestreitet.
Wer dagegen einwenden möchte, dieser Eindruck entstehe schon allein dadurch, dass die Spendensammler sich als Heilige Drei Könige verkleiden, muss sich fragen lassen, ob daran nicht gerade das Bemühen des Kindermissionswerks schuld ist, den Brauch des Dreikönigssingens zu monopolisieren – und ob sich darin nicht vielleicht eher jenes ungesunde Übermaß an Institutionalisierung und Bürokratisierung widerspiegelt, an dem der organisierte Katholizismus in Deutschland auf allen Ebenen krankt. Dass es in dem beschriebenen Fall in Vechta gerade eine in der örtlichen Pfarrgemeinde für die „offizielle“ Sternsingeraktion zuständige Frau war, die ihre „freischaffende“ Kollegin anzeigte, hat jedenfalls einen bedenklichen Beigeschmack.
Apostolische Glaubensbekenntnis als Pflicht?
Auf Facebook wurde in einer Diskussion über „falsche Sternsinger“ derweil der kreative Vorschlag geäußert, man könne das Betrugsrisiko minimieren, indem man die verkleideten Spendensammler zunächst einmal das Apostolische Glaubensbekenntnis und das „Gegrüßet seist du, Maria“ aufsagen lasse, um zu prüfen, ob man echte Katholiken vor sich habe. Dabei steht allerdings wohl zu befürchten, dass sich nicht selten gerade die „echten“ Sternsinger als „falsche“ herausstellen könnten...
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