Der Münchener Kardinal Reinhard Marx hat dem Vatikan gerade mangelnde Transparenz im Umgang mit der Missbrauchsaufarbeitung um Kardinal Rainer Maria Woelki aus Köln vorgeworfen. Niemand kenne den Inhalt des Berichts zur päpstlichen Visitation in Köln, monierte er. Und was zwischen dem Papst und Kardinal Woelki mündlich oder schriftlich vereinbart worden sei, wisse er auch nicht. Ja, ist auch wirklich zu bedauerlich, dass man Inhalte fremder Fälle nicht weiß, bevor man den eigenen Fall kennt.
Marx hat keine weiße Weste
Kardinal Marx hat selbst kein weißes Hemd, traut sich aber unverfroren - diesmal indirekt über den Papst - seinen Amtsbruder zu diskreditieren. Hat er nicht selbst ein Gutachten aus äußerungsrechtlichen Gründen zurückgehalten? Und war es nicht so, dass er - zum Ärger und zur Enttäuschung vieler Betroffener - nicht einmal zur Vorstellung des Gutachtens erschienen ist?
Steht nicht außerdem im Gutachten, er habe sich zu wenig mit Missbrauchsfällen befasst und die Verantwortung von sich abgeschoben? Auch Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauchsaufarbeitung wurde ihm vorgeworfen, während Kardinal Woelki keine Fehlverhalten attestiert wurden. Warum also einen Mitbruder vorführen und Rom kritisieren, bevor man vor der eigenen Haustür gekehrt und alle Leichen aus dem Keller geschafft hat? Und ist der Fall Woelki nicht überhaupt eine Sache, die derzeit allein den Papst etwas angeht?
Nichts als aufgewirbelter Staub
By the way: Papst Franziskus hat den Fall Woelki noch nicht entschieden. Er braucht dabei keine Nachhilfe oder Schuldzuweisungen, sondern allenfalls auf Wahrheit basierende Fakten. Auch medialer Trommelwirbel ist unbrauchbar, weil eben nur viel Staub aufwirbelt, aber noch lange nicht klare Fakten schafft und Licht ins Dunkel bringt. Im Gegenteil.
Man muss vermuten, dass das eigentliche Problem von Kardinal Marx und seinen Anhängern die Tatsache ist, dass sie der römischen Kirche den Rücken gekehrt haben, Woelki aber durch Treue zum Glauben und zu Gott glänzt - trotz der vielen Prügel, die er einstecken musste, während andere trotz Fehlern und gedeckt durch die Medien sogar ohne blaues Auge davongekommen sind. Der Sündenbock, der hier offenbar gesucht wird, ist also nicht einmal nur ein Kardinal Woelki, sondern im Grunde die Heiligkeit.
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