Neuerungen in der Liturgie wurden seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil nördlich der Alpen nicht selten nach der Maxime „Nicht fragen, Fakten schaffen“ eingeführt. Bei der Einführung der Handkommunion beispielsweise galt vielerorts tolerierter Ungehorsam als Reformprinzip.
Die Eigendynamik, die aus dieser Haltung entstanden ist, lässt sich auf Dauer kaum eindämmen. Doch im Schweizer Bistum Chur geht es nun an den Kern der Eucharistiefeier: Eine 65-jährige hauptamtliche Mitarbeiterin hatte bei der Messe zu ihrer Verabschiedung das eucharistische Hochgebet allein gesprochen und sowohl den Gottesdienst als auch die restliche Wandlung mit zwei Priestern, einem Diakon und einer weiteren Frau „konzelebriert“.
Aus kirchenrechtlicher Sicht strafbar
Damit haben sie und die Konzelebranten gegen das Kirchenrecht verstoßen, denn das Sprechen des Eucharistischen Hochgebets ist allein dem Priester vorbehalten. Der Versuch, ohne Priesterweihe das eucharistische Opfer zu feiern, ist aus kirchenrechtlicher Sicht strafbar. Dass der Churer Bischof Bonnemain nun nicht umhinkommt, disziplinarische Maßnahmen zu ergreifen, mag auch daran liegen, dass sich der Fall nicht unter den Teppich kehren ließ. Eine Videoaufzeichnung der Pseudo-Zelebration hat den Vorfall dokumentiert.
Bleibt zu hoffen, dass sich das Bistum nicht auf rein juristische Maßnahmen beschränkt. Denn weder die Protagonisten noch Teile der Zuschauer dürften allzuviel Unrechtsbewusstsein haben. Die landläufige Theologenausbildung und das Klima in vielen Pfarreien stärken die unterschiedlichen Charismen in der Kirche nicht unbedingt.
Nicht zuletzt der jahrzehntelange Katecheseausfall fordert auch bei hauptamtlichen Mitarbeitern der Kirche seinen Tribut. Denn die Ursachenforschung sollte den Geist, in dem die 65-Jährige ausgebildet worden ist, nicht aussparen. Ob sich die Schweizer Hirten dazu durchringen?
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