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Päpstliche Diplomatie mit Turbulenzen

Nach etlichen Falschmeldungen und Dementis versucht der Vatikan einen Neustart seiner Friedenspolitik im Ukraine-Krieg: Ein Kardinal als Emissär ohne konkrete Mission und eine neue „Doktrin“ des Staatssekretariats.
Italy, Rome, Vatican, 22/09/05. Card. Matteo Zuppi, Archbishop of Bologna and President of the Italian Bishops Conferenc
Foto: IMAGO/Massimiliano MIGLIORATO/CPP / (www.imago-images.de) | Nach Turbulenzen in der päpstlichen Diplomatie schauen auf Zuppi: Was wird er jetzt tun, um die Spannungen im Ukraine-Konflikt zu verringern?

Am vergangenen Samstag gab es einen Augenblick, da sahen selbst überaus vatikanisch gestimmte Beobachter in Rom einen Tiefpunkt der päpstlichen Diplomatie erreicht: Das war die Veröffentlichung eines knappen Kommuniqués des Dikasteriums für die Ostkirchen, dem zufolge dessen Präfekt, Erzbischof Claudio Gugerotti, nichts von einer Entsendung nach Moskau im Rahmen einer Mission zur Vermittlung im Ukraine-Krieg weiß.

Geheimes ausgeplaudert

Vorausgegangen waren Presseberichte, die auf die argentinische Zeitung „La Nación“ und deren Rom-Korrespondentin und Papst-Vertraute Elisabetta Piquet zurückgingen, wonach Franziskus jeweils einen Sondergesandten nach Moskau und nach Kiew schicken wolle, um Möglichkeiten für Verhandlungen auszuloten. Kiew sollte das Ziel des Vorsitzenden der Italienischen Bischofskonferenz, des Bologneser Kardinals Matteo Zuppi sein, und Moskau Zielort eben jenes Erzbischofs Gugerotti, der lange Zeit als Nuntius tätig war – unter anderem in Armenien, Georgien und Aserbaidschan – und fließend Russisch spricht. Dass Franziskus selber über diese Entsendung mit der befreundeten Journalistin geplaudert hatte, hielten viele für sehr wahrscheinlich, da der Papst schon beim Rückflug aus Budapest vor Journalisten von einer noch geheimen Friedensmission des Vatikans gesprochen hatte, von der in Moskau und Kiew allerdings niemand – offiziell – etwas wusste.

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Nachdem bereits der ukrainische Staatspräsident bei seinem Vatikanbesuch alle medialen Register gezogen hatte, um der Öffentlichkeit klarzumachen, dass der Vatikan nicht auf eigene Faust Friedensverhandlungen einleiten kann (DT vom 19. Mai), war jetzt das Bild von der diskreten und in Abstimmung mit den internationalen Partnern betriebenen päpstlichen Diplomatie endgültig ramponiert und das Staatssekretariat musste handeln. Noch am Samstagabend gab Vatikansprecher Matteo Bruni eine Erklärung ab: Der Papst habe Kardinal Zuppi den Auftrag erteilt, im Einvernehmen mit dem vatikanischen Staatssekretariat eine Mission zu erfüllen, die die Spannungen im Ukraine-Konflikt verringern könnte, in der nie vom Heiligen Vater aufgegebenen Hoffnung, dass dies Wege des Friedens eröffne. „Die Zeiten und die Modalitäten dieser Mission werden derzeit noch studiert.“ Mit anderen Worten: Zurück auf Los! In die Wege geleitet, bewirkt oder entschieden ist noch gar nichts.

Konflikt, der die Weltmächte einbezieht

Auf dem Kardinal von Bologna und der Gemeinschaft Sant' Egidio, in der Zuppi groß geworden ist und die ihn bei seinem Auftrag unterstützen wird, lastet nun der hohe Anspruch, nicht nur einen lokalen Bürgerkrieg wie 1992 in Mosambik befrieden zu sollen, sondern einen Konflikt, der die Weltmächte einbezieht. Soweit die Friedenspolitik des Papstes.

In Reykjavik, beim Gipfeltreffen des Europarats, hatte Kardinal Pietro Parolin am 18. Mai, also nach der Visite Selenskyjs beim Papst, dagegen eine neue „Ukraine-Doktrin“ des vatikanischen Staatssekretariats formuliert: „Zusammen mit der Ukraine müssen wir fragen, wie Friede zu schaffen ist: Wir können nicht passiv akzeptieren, dass der Aggressions-Krieg in jenem Land weitergeht. Es ist das ukrainische Volk, das stirbt und leidet. Es ist an der Zeit, Initiativen zu ergreifen, um einen gerechten Frieden in der Ukraine zu schaffen“.

Das klang nicht mehr nach der Äquidistanz, die der Papst seit Kriegsbeginn vor über einem Jahr übt, sondern eher nach der Forderung des ukrainischen Präsidenten, dass der Vatikan nur an der Seite der Ukraine und nicht über den Parteien stehend für eine Beendigung des Kriegs arbeiten kann. Womit sich die Frage stellt: Was macht jetzt Zuppi?

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