Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung

Ein Prozess, der weitergehen soll: Die Vorsynode der Jugend in Rom

Interview mit Magdalena Hartmann, Mitglied der Schönstatt Bewegung und Delegierte der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) für die Vorsynode zur Bischofssynode. Von Maria Pelz
Magdalena Hartmann
Foto: Markus Nowak (KNA) | Magdalena Hartmann, Mitglied der Schönstatt Bewegung und Delegierte der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) für die Vorsynode zur Bischofssynode unter dem Thema "Die Jugendlichen, der Glaube und die ...

In der letzten Woche haben sich 300 Jugendliche aus fünf Kontinenten in Rom getroffen, um eine Woche lang die Anliegen der Jugend zu diskutieren und diese am Palmsonntag auf dem Petersplatz dem Papst zu übergeben. Das Schlussdokument soll in die Beratungen der Bischofssynode über die Jugend im Herbst einfließen. Es war das erste Mal in der Kirchengeschichte, dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der katholischen Kirche eine solch herausgehobene Gelegenheit bekamen, sich zu äußern. Die Studentin Magdalena Hartmann, aktiv in der Schönstattjugend, war eine von zwei Delegierten aus Deutschland.

Frau Hartmann, welche Erfahrungen haben Sie in dieser Woche gemacht?

Die Eindrücke sind vielfältig. Die Offenheit, mit der wir aufeinander zugegangen sind und diskutiert haben, war für mich sehr wertvoll. Grundsätzlich war es eine wertschätzende Atmosphäre, die half, Themen ganz direkt anzusprechen. Natürlich kamen dabei auch die verschiedenen Kulturen zum Vorschein. Seien es die afrikanischen Delegierten, die in den Mittagspausen durch ihren Gesang und Tanz die Aula in Stimmung brachten oder auch die südamerikanischen und asiatischen Vertreter, die uns an ihrer Kultur teilhaben ließen. Berührt bin ich von weniger fröhlichen Geschichten, die aus verschiedenen Ländern erzählt wurden.  Korruption innerhalb der Kirche, Unterdrückung von Frauen oder sogar Märtyrertode, von denen erzählt wurde.
 
Die Bischöfe und der Papst haben versucht, die Jugendlichen aus der ganzen Welt mit in die Synodenüberlegungen einzubeziehen. Hat das Ihrer Meinung nach Erfolg gehabt?

Meinem Eindruck nach waren fast alle Länder der Welt vertreten. Asien war mit wenigen Delegierten vor Ort.  Sogar aus Madagaskar und Mauritius waren junge Erwachsene in Rom. Ich glaube, das Bestmögliche wurde ermöglicht. Leider waren in den Sprachgruppen keine Jugendseelsorger oder Bischöfe. Die Mitarbeiter des Dikasteriums für die Laien, die Familie und das Lebens waren anwesend und ließen uns Raum. Im Plenum waren Kardinal Baldisseri, stellvertretend für das Synodensekretariat, und sein Sekretär dabei. Dort hatte ich den Eindruck, dass wir ein Gegenüber hatten. Zu einem richtigen Gespräch zwischen ihm und uns als junge Generation kam es aber nicht, denn dafür war zu viel Zeitdruck und die Methoden und der Zeitplan waren vorgegeben.

Wie war die Atmosphäre in Ihrer Sprachgruppe?

Wir als deutsche Teilnehmer waren auf die englischen Sprachgruppen aufgeteilt, sodass vielfältigere Diskussionen entstehen konnten. Daher war ich selbst mit jungen Erwachsenen aus dem Libanon, Armenien, Österreich, Frankreich, Australien, USA, Schottland, Griechenland, Malta, Indien, Russland, Bulgarien und der Schweiz in eine Sprachgruppe eingeteilt. Ich hatte den Eindruck, dass die Lebenswelten meiner Gruppe doch eher westlich geprägt waren, so konnten wir in vielen Punkten Gemeinsamkeiten feststellen, aber es gab auch Diskussionen, in denen wir ganz unterschiedliche Situationen schilderten. Was sehr zum Erfolg beitrug, war die wertschätzende Atmosphäre. In mehreren Tagen mit Gesprächen kann schon mal ein Satz fallen, durch den sich jemand diskriminiert oder angegriffen fühlen könnte. Aber selbst nach solchen Gesprächen gelang es immer, in einem guten Miteinander den Raum zu verlassen.
Nach der letzten Runde in der Sprachgruppe saßen wir noch lange in unserem Besprechungsraum und ich glaube, es fiel allen schwer, die Gruppe, die so familiär geworden war, zu verlassen.

Der Papst hatte auch Jugendliche anderer Religionen und religionslose Jugendliche eingeladen. Wenn man einen Fußballclub coachen möchte, fragt man erfahrene Fußballer und nicht Schachspieler. Welchen Beitrag für eine Erneuerung der Kirche können Jugendliche bringen, die den christlichen Glauben nicht teilen?

Glücklicherweise hatte ich innerhalb meiner Sprachgruppe zwei Atheisten und eine Muslima. Ihre Perspektiven auf manche Dinge waren hilfreich und eröffnete oft nochmal ganz neue Aspekte, die wir vermutlich in rein christlichen Gruppen nicht so gesehen hätten. Meiner Meinung nach war das ein wertvoller Beitrag. Denn wie sonst sollen wir als katholische junge Erwachsene verstehen, wie wir auf Außenstehende wirken? Wie können wir sonst über unseren Tellerrand hinausschauen, wenn wir nicht auf manches hingewiesen werden?

Welchen Eindruck haben Sie von Franziskus erhalten?

Er ist sehr authentisch, ermutigend und wertschätzend. Am Anfang des Prozesses hat er uns bestärkt. Auf dem Petersplatz beim Palmsonntagsgottesdienst war er ebenfalls sehr offen. Er ist extra nochmal zu uns Jugendlichen hingegangen und hat sich nicht von den Sicherheitsleuten davon abbringen lassen.

Sie haben eine ganz besondere Veranstaltung besucht. Was nehmen sie mit für Ihr Leben?

Die Offenheit, die Ehrlichkeit, die Wertschätzung und vor allem den Glauben an das Miteinander. Wenn ich von diesem Aufeinander-Zugehen nur ein kleines bisschen in meinem Leben umsetzen kann, hoffe ich, glaubwürdig christlich zu sein. Das Miteinander-Beten war auch dabei: Das Morgengebet, auch die Gebetszeiten zwischendurch, waren eine gute Erfahrung, in der wir in verschiedenen Sprachen den gemeinsamen Glauben geteilt haben. Ich habe außerdem das Anliegen, dass der Prozess, den wir begonnen haben, weitergeführt werden muss, damit er Früchte trägt und etwas daraus wachsen kann. Das fordern wir im Abschlussdokument, weil die Lebenswelt sich ständig verändert.

Was sind für Sie die wichtigsten Ergebnisse der Jugend-Vorsynode?

Das Wichtigste überhaupt ist für mich, dass ein derartiger Dialog, wie er bei der Vorsynode stattgefunden hat, ermöglicht wurde. Wie uns Papst Franziskus bei der Eröffnung der Veranstaltung ermutigte, haben wir „kein Blatt vor den Mund genommen“ und es konnte offen diskutiert werden. Die wichtigsten Ergebnisse finden sich im Ergebnisdokument wieder. Einige sind: Die Sprache der Kirche, die Rolle der Laien, insbesondere der Frauen in der Kirche, Hierarchie, Transparenz innerhalb der Strukturen, auch das Thema geistliche Begleitung und konkrete Vorschläge und Ideen finden sich wieder.

Themen & Autoren
Deutsche Bischofskonferenz Papst Franziskus Unterdrückung von Frauen

Weitere Artikel

Die Botschaft des Papstes zu Ostern in einer friedlosen Welt: Nicht Waffen erlösen, sondern die Bekehrung zu dem, der Steine wegzuwälzen vermag.
04.04.2024, 07 Uhr
Guido Horst
Kinderbetreuung, Haushalt, Pflege: Unbezahlte Tätigkeiten in der Familie und ihr ökonomischer Gegenwert.
11.03.2024, 07 Uhr
Cornelia Huber

Kirche

Wie in vielen Pfarreien der Alltag die Sphäre des Sakralen absorbiert. Ein Spottwort von vor 30 Jahren wird heute von der Wirklichkeit überholt. 
16.04.2024, 19 Uhr
Gerd Neuhaus