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Der Zölibat ist nicht das Problem

Was eine progressive Pfarrerin im „Spiegel“ sagt, bringt eine unbequeme Wahrheit ans Licht, wenn auch nur zwischen den Zeilen.
Kollar
Foto: Imago/Pond5 Images | In sogenannten katholischen Reformzirkeln wird oft dem Zölibat die Schuld an Missbräuchen gegeben. Dem widerspricht ausgerechnet eine liberale protestantische Pfarrerin.

Wer das jüngst erschienene „Spiegel“-Interview mit der evangelischen Pfarrerin Maike Schöfer liest, begegnet einer Theologin, die mit kaum zu überbietender Selbstsicherheit die gängigen Positionen des dem Zeitgeist verfallenen Protestantismus sowie ultraliberaler, an deutschen Hochschulen sitzender Berufskatholiken vorträgt: Von Sexualität als sakralem Erlebnis bis zu Selbstbefriedigung als Akt der Selbstliebe, über einen Gott mit Gendersternchen und die Bibel als patriarchales Herrschaftsinstrument, alles ist dabei.

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Nichts Neues also, sondern längst Teil eines theologischen Diskurses, der sich lieber an gesellschaftlichen Trends als an kirchlicher Überlieferung orientiert. Eine Theologie, die eigentlich ohne einen Theos, also einen Gott, auskommt und somit ihren Namen nicht mehr verdient. Dass Schöfer in diesem Kontext auch noch die Blasphemie, Gott sei „superqueer“, äußert, passt ins Bild.

Eine überraschende Einsicht

Umso bemerkenswerter ist eine Passage des Gesprächs, in der Schöfer von der Linie der gewohnten Narrative abweicht. Gefragt nach dem Zölibat sagt sie trocken: „Der Zölibat ist aber nicht der Grund für Missbrauch, sexuelle Abstinenz führt nicht zu sexueller Gewalt“. Diese Einsicht überrascht, gerade weil sie aus dem Munde einer Akteurin stammt, die ansonsten kaum eine Gelegenheit auslässt, traditionelle Positionen zu dekonstruieren.

Positionen, die nicht nur der katholischen, sondern über Jahrhunderte auch der protestantischen Theologie selbstverständlich waren. Schöfer verweist auf die evangelische Kirche, in der es keinen Zölibat gibt, wohl aber Missbrauchsfälle. Auch dort, wo vermeintlich flache Hierarchien und sexuelle Selbstbestimmung herrschen, haben sich Abgründe aufgetan. Belegt wurde dies unter anderem durch die vielbeachtete „Forum-Studie“. Ihre Schlussfolgerung: Nicht der Zölibat ist das Problem, sondern Machtmissbrauch, fehlende Kontrolle und strukturelles Wegsehen.

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Dass eine progressive Pfarrerin diesen Zusammenhang anerkennt, sollte zu denken geben. Vor allem jenen, die in sogenannten katholischen Reformzirkeln seit Jahren versuchen, die zölibatäre Lebensform zum Hauptschuldigen zu erklären. Wer Missbrauch bekämpfen will, muss differenzieren und darf nicht der Versuchung erliegen, geistliche Ideale vorschnell zu diskreditieren. Man muss keineswegs die Positionen Maike Schöfers teilen, um Folgendes festzustellen: In einem Punkt liegt sie richtig. Gemessen an der theologischen Großwetterlage in Deutschland ist das fast schon eine kleine Sensation.

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