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"Dem ganzen Text liegt der genderideologische Unsinn zugrunde"

Anstatt Glaubenskrise und Säkularismus offen zu benennen, will der Synodale Weg als anstößig empfundene Lehramtsentscheidungen widerrufen, beklagt der Dogmatiker Josef Kreiml.
"Den Autorinnen und Autoren gefällt es überhaupt nicht, dass der Papst auch von einer „Gender-Ideologie“ spricht.
Foto: Sebastian Gollnow (dpa) | "Den Autorinnen und Autoren gefällt es überhaupt nicht, dass der Papst auch von einer „Gender-Ideologie“ spricht. Als ob es eine solche nicht gäbe!", meint Josef Kreiml.

Kommentar zur Vorlage des Synodalforums III „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ zur Ersten Lesung auf der Zweiten Synodalversammlung (30.9.-2.10.2021) für den Handlungstext „Austausch theologischer Argumentation in weltkirchlichen Kontexten“

In diesem Handlungstext wird mit dem Kampfbegriff „essentialistischer Geschlechterdualismus“ gearbeitet. Unter Benutzung einer fragwürdigen Hermeneutik wird behauptet, dass Papst Franziskus von einem essentialistischen Geschlechterdualismus „Abschied nimmt“ (S. 3). Der angebliche Beweis für diese Behauptung besteht in der sinnwidrigen Auslegung eines kurzen – in Anm. 3 wiedergegebenen – Zitats des Papstes

Dem ganzen Text liegt der genderideologische Unsinn zugrunde, dass durchgehend von Frauen (mit Genderstern!) und Männern (mit Genderstern!) geschrieben wird. Was soll mit dieser Redeweise bezweckt werden? Wenn eine zahlenmäßig sehr kleine Minderheit von Menschen biologisch nicht eindeutig dem einen oder anderen Geschlecht zuzuordnen ist bzw. wenn sich Menschen psychologisch in ihrem vorgegebenen Geschlecht „nicht wohlfühlen“, dann kann das noch lange kein Grund sein, die Bipolarität der Geschlechter grundsätzlich in Frage zu stellen. 

Kirche geht nicht ohne Mission

Im Handlungstext wird behauptet: „Der Prozess des zunehmenden Auseinanderdriftens zwischen dem gesellschaftlichen und kirchlichen Leben, der sich in den westlichen Ländern ereignet, hat ganz entscheidend mit der Frage nach Stellung und Stimme von Frauen [wiederum mit Genderstern!] in der Kirche zu tun“ (S. 1 f). Wenn diese (beinahe) monokausale Begründung stimmen würde, dann dürfte es in mehrheitlich vom Protestantismus geprägten Gegenden Europas dieses „Auseinanderdriften“ ja kaum geben. Denn im Protestantismus stehen bekanntlich alle kirchlichen Ämter den Frauen offen. Von Glaubenskrise, Säkularismus etc. ist im Text kein einziges Wort zu finden. Vielleicht hat da der vor kurzem verstorbene evangelische Theologe Eberhard Jüngel doch mehr begriffen von den wahren Gründen der Glaubens- und Kirchenkrise: Eine Kirche ohne Mission bekommt – so Jüngel – „Herzrhythmusstörungen“. 

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Oberlehrerhaft bescheinigt der Handlungstext den Schreiben und Ansprachen von Papst Franziskus „Ambivalenzen“ (S. 3). Den Autorinnen und Autoren gefällt es überhaupt nicht, dass der Papst auch von einer „Gender-Ideologie“ spricht. Als ob es eine solche nicht gäbe! Selbstredend gefällt den Verfassern auch Folgendes nicht: „In jüngeren weltkirchlich relevanten Dokumenten wird sehr deutlich auf die traditionelle Geschlechteranthropologie – die Polarität des weiblichen und männlichen Geschlechts – Bezug genommen. Der Gender-Begriff wird kritisiert, weil er zu einer Auflösung der Geschlechter- und Familienbeziehungen führe“ (S. 3). Die hochreflektierte Empfehlung der Verfasserinnen und Verfasser lautet hier: „Abstand nehmen von einem unreflektierten und polemischen Gebrauch des Gender-Begriffs“ (S. 3)! 

Vom Gesichtspunkt des „Dienstes“ ist keine Rede

Die Vorherrschaft der Kategorie der „Macht“, die den Synodalen Weg insgesamt weitgehend dominiert, wird auch in diesem Handlungstext sichtbar: Frauen und Männer (natürlich wieder mit Gendersternen!) „haben in der Erfahrung des Geistes Gottes ihre Macht entdeckt, ihre je individuellen Vermögen und Charismen, zu denen Gott sie ermächtigt hat …“ (S. 3). Vom Gesichtspunkt des „Dienstes“ ist keine Rede. 

Der Dogmatiker Josef Kreiml
Foto: privat | Josef Kreiml ist Dogmatiker und Vorsitzender des Institutum Marianum Regensburg e.V.

Im abschließenden Votum werden die deutschen Bischöfe „ersucht“, im universalen Synodalen Prozess (2021 bis 2023) bestimmte genannte Themenaspekte (auch die Partizipation von Frauen [mit Genderstern!] an den drei Gestalten des sakramentalen Amtes) „als Beratungsgegenstände nachweislich einzufordern“ (S. 4). In diesem Zusammenhang scheinen die Verfasserinnen und Verfasser des Handlungstextes davon überzeugt zu sein, dass die Entscheidungen von Papst Johannes Paul II. bzgl. der Priesterweihe von Frauen nur den Rang eines innerkirchlichen Votums haben, das diskutiert werden muss. 

Wenn der Handlungstext von einer „konstruktiven Auseinandersetzung“ (S. 4) mit den bisherigen lehramtlichen Entscheidungen spricht, dann ist die Zielrichtung dieses Anliegens natürlich klar: Es sollte zu einem Widerruf anstößiger lehramtlicher Entscheidungen kommen. An eine innere Annahme solcher Entscheidungen im religiösen Gehorsam ist zuallerletzt gedacht (vgl. z. B. Lumen Gentium, Nr. 25: Der „religiöse Gehorsam des Willens und Verstandes ist in besonderer Weise dem authentischen Lehramt des Bischöfe von Rom, auch wenn er nicht kraft höchster Lehrautorität spricht, zu leisten …“). 


Der Autor ist Dogmatiker, Domkapitular in Regensburg und Vorsitzender des Institutum Marianum Regensburg e.V. Für das Bistum Regensburg fungiert er  zudem als Bischöfe Beauftrager für den Synodalen Weg.

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