Anja Hradetzky betreibt mit ihrem Mann Janusz auf einem Hof im Nationalpark Unteres Odertal, nahe der deutsch-polnischen Grenze, „wesensgemäße Milchviehhaltung“. In ihrem autobiographischen Buch „Wie ich als Cowgirl die Welt bereiste und ohne Land und Geld zur Bio-Bäuerin wurde“ schildert sie unter anderem, wie sie auf einer Ranch in Kanada die Grundprinzipien der „Low Stress Stockmanship“ erlernte – einer Methode der Herdenführung, die das natürliche Verhalten der Rinder berücksichtigt. Über ihre Lehrmeisterin, die Rancherin Kelly, schreibt sie, diese habe auf sie „wie eine Äbtissin in einem Orden“ gewirkt, „der sich einen natürlichen Umgang mit Tieren verordnet hatte. Ihr Ordensgewand war der dunkelblaue Overall. Und statt einer Haube trug sie eine Wollmütze.“
Sehnsucht nach einem Leben in "klösterlicher" Abgeschiedenheit und Schlichtheit
Diese Analogie mag überraschend wirken, stellt in Anja Hradetzkys Buch aber keinen Einzelfall dar. Ein Bio-Bauer, bei dem sie im Rahmen ihres Freiwilligen ökologischen Jahres ein Seminar besucht, erinnert die Autorin an Franz von Assisi („Hätte er einen Heiligenschein gehabt, hätte das auch gepasst“); wiederholt äußert sie die Sehnsucht nach einem Leben in „klösterlicher“ Abgeschiedenheit und Schlichtheit; ihr erstes Praktikum im Rahmen ihres Ökolandbau-Studiums absolviert sie in einer überkonfessionell-christlichen Kommunität, die Selbstversorger-Landwirtschaft betreibt. Diese wiederholten Bezugnahmen auf christliche Spiritualität und Glaubenspraxis wirken – auch wenn kaum einmal näher darauf eingegangen wird – umso auffälliger, als sie die verbreitete Klischeevorstellung Lügen strafen, die gesamte „Öko-Szene“ sei, sofern sie überhaupt eine spirituelle Ader habe, eher esoterisch, pantheistisch oder neopagan ausgerichtet.
DT/mee (jobo)
Tobias Klein über das christliche Verständnis von Ökologie. Lesen Sie den ganzen Text in der aktuellen Ausgabe der "Tagespost" vom 29. Mai 2019.