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Alexander von Schönburg: „Wir haben es übertrieben“

Buchautor Alexander von Schönburg lehnt die Angstbotschaft der ökologistischen Neoreligion ab. Er meint: Soll Umweltschutz gelingen, braucht es eine Verheißung gesteigerter Lebenslust.
Alexander Graf von Schönburg
Foto: Sebastian Karadschow | Alexander Graf von Schönburg

Graf Schönburg, macht euch die Erde untertan, heißt es zu Beginn der Bibel. Das Christentum hat diesen Gedanken in alle Welt getragen. Sind über Umwege letztlich wir Christen schuld am Zustand des Planeten?

Sie gehen aber ran, Herr Maksan. Das ist eine Frage, die nicht mit Ja oder Nein zu beantworten ist. In ihrer Frage schwingt eine Menge Heidegger mit, der ja die These in die Welt gesetzt hat, wir  europäischen Christen hätten das mit dem „Macht euch die Erde untertan“ einen Tick zu wörtlich genommen. Dazu muss man aber wissen, dass Heidegger ein zutiefst verkorkstes Verhältnis zur Kirche hatte, der er seine ganze Ausbildung und Karriere verdankte. Der göttliche Auftrag ist ja sehr viel delikater, als Heidegger das auslegte! Selbstverständlich ist das Hegen und Pflegen des Geschenkten, die Achtung der Mitgeschöpfe Teil unseres Auftrags. Aber es lässt sich auch nicht ganz von der Hand weisen, dass das bürgerlich-christlich geprägte Milieu, natürlich auf protestantischer Ebene mehr als auf katholischer, aber hier eben doch auch, ein Bündnis mit dem liberal-merkantilen Zeitgeist geschlossen hat, der uns jetzt um die Ohren fliegt.

Dieser liberal-merkantile Zeitgeist forciert einen sehr ressourcenintensiven Lebensstil. Konsequenter Umweltschutz würde das massiv verändern. Müsste ein konservativer Mensch Konsumverzicht und eine frugalere Lebensweise nicht mit Wohlwollen sehen?

Wir haben es ja wirklich übertrieben. Zu viel Konsum, zu viele Waren, zu viel Tourismus, zu viel alles. Wahrscheinlich hat sich das angelsächsische Modell des Wirtschaftskreislaufs, Bedürfnisse schaffen, auf Pump konsumieren, Auswahl und Output ins Unendliche steigern, tatsächlich überholt. Wer hätte gedacht, dass ein Virus vermag, was die Heilige Gretel sich wünschte. Ein Zurück in die Zeit ohne Vielfliegerei, Wirtschaftswachstum und Konsumwahn. Der totale Stillstand – und auf lange Sicht der komplette Rückbau ganzer Wirtschaftssektoren, wie wir ihn jetzt vor Augen haben, wird sich aber auch nicht ohne Ruckeln realisieren lassen. Ein Weg in die richtige Richtung wäre aber schon mal die Besinnung auf das Regionale und das hier Produzierte, weg von den die ganze Welt umspannenden Konzernen mit ihren endlosen Lieferketten, weg von Bioware von Rewe, hin zum urban micro-gardening.

Nicht wenige Konservative hingegen machen dicke Autos, Fernreisen und hohen Fleischkonsum geradezu zum Kernbestand ihrer Weltanschauung. Ist das Ausdruck von Freiheit – oder eine Trotzreaktion auf Greta?

Ich sehe das nicht so. Ich sehe eher, dass die Eliten sich geradezu nach Rustikalität und Maßhalten sehnen und verschwenderischer Konsum als überholt angesehen wird. Wie ich das übrigens schon vor in „Die Kunst des stilvollen Verarmens“ angemahnt habe. Wer heute Porsche Cayenne fährt, muss ja geradezu als therapiebedurftig gelten. Das Durchschnittsalter eines Porsche-Käufers in Deutschland ist übrigens Mitte/ Ende 50, also die klassische Zeit der Midlife-Crisis.

Natürlich, niemand braucht unbedingt einen Porsche Cayenne. Aber wie ist ein ethisch einwandfreier Umgang mit den knappen Gütern dieser Welt möglich, ohne ein freudloses Dasein fristen zu müssen?

In meinem neuen Buch, bitte verzeihen Sie den kecken und nicht ganz ernst gemeinten Titel, behaupte ich, dass sich okologisch verantwortungsbewusstes Handeln überhaupt nur durchsetzen wird, wenn es Steigerung von Lebenslust verheißt und nicht mit Verboten und als Selbstkasteiung daherkommt. Ein umsichtiger, maßvoller Genuss ist dem Verschwenderischen, Gedankenlosen immer überlegen, ästhetisch und natürlich auch ganz praktisch. Es geht auch nicht einfach darum, weniger konsumieren, sondern anders. Vor allem mit einem anderen Bewusstsein.

Welchem?

Unser Wirtschaftssystem basiert auf einem Mechanismus, bei dem fortwährend neue Bedürfnisse geschaffen werden müssen und es uns möglichst leicht gemacht werden muss, immer mehr zu konsumieren. Letztlich handelt es sich um eine Form der Betäubung. Wenn unsere Gesellschaft da dahinterkommt, würde das das große Umdenken bedeuten, von dem immer geredet wird. Wir Menschen haben ja tatsächliche tiefe Bedürfnisse, aber die lassen sich weder durch Konsum noch durch Selbstoptimierung stillen. Als Aktionär muss man hoffen, dass die Menschheit da nicht dahinter kommt und brav und blöd weiter konsumiert. Deswegen propagieren die im Silicon Valley auch so offensiv das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens. Der Tech-Industrie wäre es wahrscheinlich am liebsten, wir verwandeln uns langfristig in eine verdummte Biomasse, die geschenktes Geld für ihre Produkte und Dienstleistungen ausgibt. Sich dem zu widersetzen macht riesigen Spaß und bedeutet das Gegenteil eines freudlosen Daseins.

Kann der Katholizismus mit seinem Wechselspiel von Askese und Lebensfreude etwas dabei lehren?

Der Rhythmus zwischen Fasten und Feiern, die kirchlichen Gebote, geben uns Struktur, sind dazu geeignet, uns in der Freiheit, mit der wir überfordert sind, zu stützen. Mein Glaube lehrt mich vor allem, dass es verflixt schwer ist, mit Freiheit umzugehen und dass man seine Freiheit und Autonomie veräußern muss, um wirklich frei zu sein.

Wo würden Sie als Christ sagen, hört Umweltschutz auf und fängt Naturvergötzung an?

Das ist ganz einfach. Die Frage ist schlicht: Was bete ich an? Was ehre ich so sehr, dass ich davor in die Knie gehe? Chesterton sagte, es gibt keine Atheisten, nur Menschen, die sich nicht bewusst sind, woran sie glauben.

Ist Greta in diesem Sinne die Prophetin einer neuen Klimareligion?

Es gibt ein immerwährendes Bedürfnis, Teil von etwas Großem zu sein, an etwas glauben zu dürfen. Das Problem ist, dass die ökologistische Neoreligion auf einer Angstbotschaft beruht. Und Angst holt   selten das Beste aus dem Menschen heraus. Angst ist übrigens eine typische Reaktion von Beziehungsgeschadigten. Kardinal Sarah hat in einem seiner letzten Bücher sehr exakt ausbuchstabiert, warum Angststörungen ein typisches Problem der Postmoderne sind. Die Moderne hat uns eingeblaut, dass wir erst glucklich sind, wenn wir alle frei und autonom sind. Nun ist der Mensch endlich seine Bindungen los, fuhlt sich frei, muss das aber mit einem Gefuhl der Unsicherheit bezahlen.

Sie deuten das Phänomen Greta vor allem psychologisch. Was würden Sie ihr sagen, wenn Sie sie treffen würden?

Ich würde ihr sagen, dass ich ihr dankbar bin, dass sie dem Thema Naturschutz, das so lange marginalisiert wurde, mit ihrer charismatischen Art wieder Gehör verschafft hat. Ich würde ihr aber auch sagen, dass es nun an der Zeit ist, ihr endzeitliches Narrativ durch ein lebensbejahendes zu ersetzen.

Stichwort Lebensbejahung: Es gibt Leute, die Kinderkriegen für die schlimmste Sünde wider die CO2-Neutralität halten. Prinz Harry will deswegen nicht mehr als zwei Kinder. Ist das nicht konsequent?

Harry fällt auf recht plumpe Art auf etwas zutiefst Erschreckendes herein, ohne das wahrscheinlich ganz zu überblicken. Die nicht-anthropozentrische Weltsicht der sogenannten Deep-Ecology-Schule, die den Menschen letztlich als Schädling sieht, liegt weltanschaulich etwa auf der Linie einer der beiden Attentäter beim Amoklauf an der Columbine-High School. Die Täter töteten wahllos Mitschüler, um den Planeten von vermeintlichem Ungeziefer zu befreien. In seinem Tagebuch notierte einer der Täter: „Die menschliche Rasse ist es nicht wert, dass man sie verteidigt, sie ist nur wert, getotet zu werden. Gebt die Erde den Tieren zuruck. Die haben es verdient, wir nicht.“

Ist diese nicht-anthropozentrische Weltsicht letztlich der Grund dafür, dass Grüne Abtreibung und Umweltschutz in einem Satz sagen können, ohne sich zu verhaspeln?

Ich hab mir in meinem neuen Buch den Spaß erlaubt, festzuhalten, dass auch ungeborene Kinder Natur sind, also schützenswert. Das stört mich übrigens auch in der Corona-Debatte. Es ist schrecklich, dass so viele alte Menschen sterben. Aber ich wünschte mir eine ähnlich entsetzte Reaktion und einen Stillstand des öffentlichen Lebens angesichts der Tatsache, dass wir täglich durchschnittlich etwa 300 Kinder im Mutterleib töten.

Alexander Graf von Schönburg (Jahrgang 1969) ist Mitglied der Chefredaktion der Bild-Zeitung und ehemaliger Hauptstadt-Korrespondent der „Tagespost“. Der Katholik lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Berlin. Er ist regelmäßiger Buchautor. Zuletzt erschien von ihm „Die Kunst des lässigen Anstands“ (2018, Interview in der DT vom 6.9.2018). Sein neuestes Buch „Der grüne Hedonist. Wie man stilvoll den Planeten rettet“ ist Anfang April bei Piper erschienen. 

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