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Wer braucht Liebe, wenn es Zölle gibt?

Trumps drastische Zollpolitik wirkt global, trifft Europa aber ganz besonders. Schlechte Nachrichten für Transatlantiker – auch wenn sich der US-Präsident diesmal verkalkuliert haben dürfte.
US-Präsident Donald Trump kündigt globale Zölle an
Foto: IMAGO/Andrew Leyden (www.imago-images.de) | Rosenkrieg à la Trump: Die am Mittwoch – in Trumps Worten „Liberation Day“ – angekündigten globalen Zölle treffen europäische Staaten mit pauschal 20 Prozent besonders hart.

Seit Donald Trump ins Präsidentenamt gewählt wurde, verabschieden sich die USA auf Raten von Europa. Mal sind es verbale Drohungen, mal konkrete Handlungen. Wie es halt so ist, wenn eine Liebesbeziehung an ihr Ende kommt – in diesem Fall die transatlantische. Die am Mittwoch – in Trumps Worten „Liberation Day“ – angekündigten globalen Zölle, die europäische Staaten mit pauschal 20 Prozent besonders hart treffen, sind da nur das jüngste Glied in einer Kette von Maßnahmen. Deren Bedeutung unterstrich Trump, indem er betonte, das Wort „Zoll“ sei für ihn noch schöner als das Wort „Liebe“.

Dass Trumps Leute untereinander tatsächlich meinen, was sie öffentlich über Europa sagen, stellte der jüngst publik gewordene Chat hochrangiger Regierungsmitglieder zum Angriff auf die Houthi-Rebellen im Jemen unter Beweis. Vom „Schmarotzer“ Europa war da die Rede. Er hasse es, für den Kontinent den verteidigungspolitischen Karren aus dem Dreck zu ziehen, schrieb US-Vize J.D. Vance. Schlimmer als jeder Rosenkrieg. Dabei kann man nicht einmal behaupten, dass Trump, Vance und Co. die Staaten Europas völlig egal sind. Für die zwischenstaatlichen Beziehungen gilt schließlich dasselbe wie für die zwischenmenschlichen: Egal ob leidenschaftliche Abneigung oder herzlichste Zuneigung, nur wer im Kern weiß, dass man eigentlich nicht ohne einander kann, ist zu starken emotionalen oder politischen Reaktionen fähig.

Worin der eigentliche Bruch besteht

Bestes Beispiel: Die Rede von J.D. Vance im Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz, in der er sich zutiefst besorgt um den Kurs zeigte, den Europa in puncto Meinungsfreiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eingeschlagen habe. Seitdem wiederholte er diese Thesen immer wieder. Fälle wie der Ausschluss Marine Le Pens von den französischen Präsidentschaftswahlen dürften Vance nur bestärken. 

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Dabei zeigt sich ein kurioses Phänomen: Je entschiedener die Trump-Regierung ihren politischen Kurs in all seinen Facetten verfolgt, je lautstärker sie aus ihrer Sicht bedenkliche politische Entwicklungen in Europa anprangert, desto lauter ist von Seiten der transatlantischen Partnerländer die Befürchtung zu hören, die USA würden sich zunehmend in eine Autokratie verwandeln. Manche Beobachter hierzulande sehen sich in undifferenzierter Analyse tatsächlich schon geneigt, den Begriff „Faschismus“ zu verwenden. 

Hierin lässt sich der eigentliche Bruch erkennen: War man im Grunde während der gesamten friedlichen Nachkriegsordnung sicher, auf demselben Wertefundament zu stehen, das auch die Basis für die enge Zusammenarbeit in internationalen Organisationen wie der NATO bildete, müssen Amerika und Europa heute erkennen: Das Verständnis von Demokratie, von Rechtsstaatlichkeit, es ist nicht mehr dasselbe. Stattdessen wirft man sich gegenseitig die Totalitarismus-Keule an den Kopf. „Du bist doof“ – „nein, du bist doof“. Ein Sandkastenstreit, nur dass der Sandkasten die weltpolitische Bühne ist. Wie soll man sich bei derart fundamentalen Differenzen wieder aufeinander zubewegen? Das wird für Europa die Kernfrage der weiteren Amtsperiode Trumps sein.

Trump setzt auf fortdauernden Liebesentzug

Zumal die Trump-Administration an einer Annäherung gar kein Interesse zu zeigen scheint und stattdessen eher auf fortdauernden Liebesentzug setzt. Stichwort „America first“. Die verheerende Zollpolitik fügt sich auf den ersten Blick schlüssig in dieses Konzept: Man darf Trump wohl nicht absprechen, dass er wirklich glaubt, Amerika einen Dienst zu erweisen, indem er die Ära des Freihandels zu Grabe trägt und ein völlig neues handelspolitisches Zeitalter einläutet.

Und auch wenn der polarisierende US-Präsident seit Amtsantritt tatsächlich die ein oder andere (gesellschafts-) politische Fehlentwicklung korrigierte, die zuvor von einer abgehobenen linksliberalen Politikerklasse gegen den mehrheitlichen Willen der Bürger forciert worden war: Mit seiner Zollpolitik dürfte er Schiffbruch erleiden. Was er erreichen will, klingt simpel: mehr Staatseinnahmen generieren und ausländische Unternehmen praktisch zwingen, in Amerika zu produzieren und so Arbeitsplätze zu schaffen.

Doch Trump verkennt, dass seine Maßnahmen die eigene Wählerklientel in besonderem Maße belasten: durch steigende Inflation, sinkendes Wirtschaftswachstum und einbrechende Aktienmärkte. Selbst einer der geistigen Vordenker der amtierenden Regierung, der Politik-Professor Patrick Deneen, der den liberalen Westen als gescheitert ansieht, zweifelt in einem seiner Hauptwerke, „Regime Change“, den Nutzen einer radikalen Zollpolitik an. Zölle seien im Allgemeinen „primitive Instrumente“, die nur als „ultima ratio“ eingesetzt werden sollten. Davon kann bei Trump nicht die Rede sein. Die negativen Folgen für Amerika und seine Bürger werden sich mittel- bis langfristig bemerkbar machen. Bereits nächstes Jahr stehen Kongresswahlen an – gut möglich, dass die Wähler Trump dort einen Denkzettel verpassen, wenn er von seinem zollpolitischen Kriegspfad nicht abweicht.

Mit ungeliebten Partnern im Bündnis-Bett

Der Appell, Europa möge angesichts des abwesenden Partners Amerika doch endlich an einem Strang ziehen, ist schon viel zu oft geäußert worden, als dass er noch Wirkung zeigen könnte. Dazu hat Trump den Keil zwischen den Staaten Europas viel zu sehr vergrößert. In wirtschaftspolitischer Hinsicht ist es indes nicht auszuschließen, dass sich ein Kerneuropa in Zukunft mehr in Richtung China orientieren wird, um Absatzmärkte zu pflegen, die nicht von Zöllen belastet sind. Sollte Trumps Handelspolitik Europa tatsächlich in die Arme Pekings treiben, dürfte er am Ende erreicht haben, dass beide mit einem ungeliebten Partner ins Bündnis-Bett steigen: die Europäer mit China, die USA mit Russland.

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