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Ohio nimmt „Recht“ auf Abtreibung in Verfassung auf

Deutliche Mehrheit für Abtreibungsbefürworter in Referendum. Abtreibungen sind nun mindestens bis zur Lebensfähigkeit des Fötus erlaubt.
Abtreibungsbefürworter in Ohio mit Referendum erfolgreich
Foto: IMAGO/Adam Cairns/Columbus Dispatch (www.imago-images.de) | Befürworter eines "Rechts" auf Abtreibung feiern, nachdem eine Mehrheit der Bürger Ohios dafür stimmte, ein solches "Recht" in der Verfassung zu verankern.

In Ohio müssen Abtreibungsgegner eine herbe Niederlage hinnehmen: Am Dienstag stimmte eine deutliche Mehrheit der Bürger in einem Referendum dafür, ein „Recht“ auf Abtreibung in die Verfassung des US-Bundesstaates aufzunehmen. Gut 56 Prozent sprachen sich für einen dementsprechenden Verfassungszusatz aus, knapp 44 Prozent dagegen.

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Der Passus, der nun innerhalb von 30 Tagen Gültigkeit besitzen wird, besagt wörtlich, dass „jedes Individuum ein Recht hat, seine eigenen reproduktiven Entscheidungen zu treffen und auszuführen“, einschließlich – aber nicht beschränkt auf – Entscheidungen zu Verhütung, Fruchtbarkeitsbehandlungen, dem „Fortsetzen der eigenen Schwangerschaft“, Betreuung im Fall einer Fehlgeburt sowie Abtreibung. Der Staat dürfe niemanden daran hindern, dieses Recht zu beanspruchen.

Ohio ist traditionell konservativ geprägt

Gleichzeitig heißt es in dem Zusatz, dass Abtreibungen verboten werden können, wenn ein ungeborenes Kind außerhalb des Mutterleibs lebensfähig ist. Eine Abtreibung dürfe jedoch in keinem Fall verboten werden, „wenn diese nach dem professionellen Urteil des behandelnden Mediziners der schwangeren Patientin nötig sein sollte, um das Leben oder die Gesundheit der Schwangeren zu schützen“.

Meinungsumfragen im Vorfeld des Referendums hatten auf eine deutliche Mehrheit zugunsten der Abtreibungsbefürworter hingedeutet; daher stellt das Ergebnis keine Überraschung dar, auch wenn der Staat Ohio traditionell konservativ geprägt ist. Gleichzeitig setzt sich damit ein Trend fort, der sich schon kurze Zeit nach dem neuen Grundsatzurteil des Obersten Gerichtshofs in der Abtreibungsfrage vom Juni 2022 erkennen ließ. Seitdem konnten Abtreibungsbefürworter in Volksabstimmungen bereits in sechs weiteren US-Bundesstaaten ihre Agenda durchsetzen.

Lebensrechtler übten Kritik

Bislang waren Abtreibungen in Ohio erlaubt, solange ein ungeborenes Kind nicht außerhalb des Mutterleibs überleben kann, also in etwa bis zur 22. oder 24. Schwangerschaftswoche. Insgesamt gibt es in dem Bundesstaat im Mittleren Westen aktuell neun Kliniken, die Abtreibungen anbieten. Lebensrechtler übten im Vorfeld des Referendums deutliche Kritik: Der Verfassungszusatz erlaube de facto Abtreibungen „auf Abruf“ bis zur Geburt, senke grundlegende Sicherheitsstandards und beschneide die Rechte von Eltern, in medizinische Entscheidungen ihrer Kinder eingebunden zu werden.

Nachdem der Oberste Gerichtshof der USA im Juni 2022 das umstrittene, seit 1973 gültige Grundsatzurteil „Roe v. Wade“ gekippt hatte, war zunächst ein striktes Abtreibungsverbot ab der sechsten Schwangerschaftswoche in Kraft getreten. Unterzeichnet hatte der republikanische Gouverneur des Bundesstaates, Mike DeWine, das entsprechende Gesetz bereits 2019. Es konnte jedoch erst umgesetzt werden, nachdem der Oberste Gerichtshof mit seinem Urteil im Fall „Dobbs“ das Recht, über Abtreibungsgesetze zu entscheiden, wieder den einzelnen Bundesstaaten überlassen hatte. Im September hob ein Gericht das strikte Verbot wieder auf.  DT/mlu

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