Die in Wien ansässige NGO „Observatory on Intolerance and Discrimination against Christians in Europe“ (OIDAC Europe) hat eine stärkere Sensibilisierung für christenfeindlichen Vandalismus in Deutschland gefordert. In einer am Montag veröffentlichten Pressemitteilung kritisiert die Organisation eine erhebliche Lücke zwischen der eigenen Dokumentation einschlägiger Vorfälle und den offiziellen Zahlen der Bundesregierung. So habe OIDAC Europe im Jahr 2023 allein elf Brandstiftungen an Kirchen in Deutschland dokumentiert – obwohl die Statistik „Politisch motivierte Kriminalität“ der Bundesregierung für denselben Zeitraum keine einzige Brandstiftung ausweist.
„Dass unsere NGO für das Jahr 2023 fast ein Dutzend Fälle von Brandstiftungen erfasst, die Bundesregierung aber keinen einzigen, zeigt ein eklatantes Defizit bei der Erfassung christenfeindlicher Vorfälle“, erklärte Anja Hoffmann, Direktorin von OIDAC Europe. „Dass solche Vorfälle in der offiziellen Statistik nicht auftauchen, ist ein Zeichen politischer Blindheit.“ Die NGO wertete nach eigenen Angaben öffentlich zugängliche Quellen aus und steht dabei in regelmäßigem Austausch mit Kirchengemeinden.
Zahlen und Definitionen weichen deutlich voneinander ab
Nach Angaben der Bundesregierung wurden im Jahr 2023 insgesamt 55 politisch motivierte Sachbeschädigungen an Kirchen registriert – ein Wert, der nach Ansicht von OIDAC deutlich zu niedrig sei. Die NGO bezog sich dabei auf eine parlamentarische Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten Ottilie Klein. Demnach sollen in Österreich im selben Zeitraum 78 Sachbeschädigungen an Kirchen gemeldet worden sein, trotz einer Bevölkerung, die neunmal kleiner sei als die Deutschlands.
Als strukturelles Problem sieht OIDAC Europe die deutsche Definition von Hasskriminalität, die sich stark auf politisch motivierte Taten konzentriere. Dies führe dazu, dass viele antichristliche Übergriffe in den Statistiken nicht auftauchten, selbst wenn sie massive kirchliche Schäden zur Folge hätten.
BKA: Nicht alle Taten erfüllen Kriterien der PMK
Auf Anfrage der „Tagespost“ hat das Bundeskriminalamt (BKA) klargestellt, dass im „Kriminalpolizeilichen Meldedienst Politisch motivierte Kriminalität“ (KPMD-PMK) nur Straftaten mit politischem Hintergrund erfasst werden. „Handelt es sich bei einem Kirchengebäude ‚lediglich‘ um eine Tatörtlichkeit, wird diese nicht unter dem Unterangriffsziel ‚Kirche‘ des KPMD-PMK abgebildet“, teilte ein Sprecher des Bundeskriminalamts mit.
Weiter heißt es in der Stellungnahme: „Welche Vorfälle durch OIDAC dokumentiert sind, ist seitens des BKA nicht bekannt. Sofern diese nicht polizeilich zur Anzeige gebracht wurden, erfolgt keine Abbildung im KPMD-PMK und/oder der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). In den zur Anzeige gebrachten Sachverhalten erfolgen durch die örtlich zuständigen Polizeidienststellen Ermittlungen, um beispielsweise die Hintergründe der Tat, insbesondere die Tatmotivation des/der ggf. unbekannten Täter(s), festzustellen. Bei allen Fällen, die unter die oben genannte Definition PMK zu fassen sind, erfolgt eine Meldung im Rahmen des KPMD-PMK.“
Zudem weist das BKA darauf hin, dass viele Straftaten mangels politischer Motivation gar nicht in die PMK-Statistik aufgenommen würden. „Delikte ohne politische Motivation sind – bis auf einige Staatsschutzdelikte – nicht Bestandteil dieser Statistik.“ Entscheidend sei die Tatmotivation: Nur wenn ein Vorfall etwa aufgrund der Religionszugehörigkeit des Opfers oder mit einer ideologischen Zielsetzung begangen wurde, gelte er als politisch motiviert.
Die Beurteilung der Tatmotivation erfolge durch die jeweils zuständigen Landeskriminalämter, so das BKA. Nur wenn diese eine politische Motivation feststellen, werde der Fall in die Statistik aufgenommen und thematisch eingeordnet, beispielsweise unter „christenfeindlich“ im Oberthemenfeld „Hasskriminalität“.
Warnung vor wachsender Gewalt
Anlass der Pressemitteilung von OIDAC Europe waren zahlreiche Vorfälle in den Wochen vor Ostern. So wurden unter anderem in Kürnbach eine Osterkerze und eine Altarbibel mit Fäkalien beschmiert, in Neuss-Erfttal ermittelt die Polizei wegen Brandstiftung auf einem Kirchengelände. In Groß-Gerau wurde eine Bibel angezündet, in Salzgitter-Bad eine Marienstatue beschädigt. Auch der Mainzer Stadtpfarrer sprach von „wiederkehrendem Vandalismus“, etwa durch Zerstörung von Beichtstühlen und Verunreinigung des Weihwassers.
Pfarrer Dominik Meiering, verantwortlich für die Kölner Innenstadtkirchen, sagte gegenüber dem katholischen Nachrichtendienst CNA: Vandalismus gehöre in seinen Kirchen „zum Tagesgeschäft“.
OIDAC Europe fordert nun eine differenziertere Erfassung solcher Vorfälle sowie mehr Unterstützung für betroffene Gemeinden. „Gerade zu Ostern sollte uns bewusst sein, dass wegen Vandalismus geschlossene Kirchen keine Option sind“, so Hoffmann. DT/jna
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