Erlaubt Frankreich demnächst die Euthanasie? Zwei Tage lang debattierte die französische Nationalversammlung Anfang dieser Woche zwei Gesetzentwürfe zum assistierten Suizid und zum Ausbau der Palliativmedizin. Das berichtet die französische Nachrichtenagentur AFP.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte eine Liberalisierung der geltenden Rechtlage bereits 2024 auf den Weg gebracht. Das Vorhaben sei jedoch aber durch Neuwahlen und den Sturz der Regierung von Michel Barnier verzögert worden. Die Regierung unter Premierminister François Bayrou habe sich hernach für eine Aufteilung des Gesetzes entschieden, da die Neuregelung der Sterbehilfe auch im Regierungslager stark umstritten sei. Dagegen sei der Ausbau der Palliativmedizin „weitgehend konsensfähig“.
Innenminister warnt vor Legalisierung
Nach dem überarbeiteten Gesetzentwurf zur Sterbehilfe soll ein volljähriger, französischer Patient, der an einer unheilbaren Krankheit im Endstadium leidet und bei Bewusstsein sei, künftig um „Hilfe zum Sterben“ bitten. Anschließend soll ein Arzt über die Verschreibung eines tödlichen Präparats nach Beratung mit anderen entscheiden. Der Patient könne das Mittel selbst einnehmen oder sich von einem Pfleger oder Arzt „helfen lassen“. Demenzkranke oder komatöse Patienten sollen keine Sterbehilfe in Anspruch nehmen können. Allerdings forderten einige Abgeordnete nun, Patienten sollten den Wunsch nach Sterbehilfe in einem solchen Fall in einer Patientenverfügung festhalten können.
Kritiker des Gesetzes verwiesen hingegen darauf, dass ältere Menschen sich psychologisch unter Druck gesetzt fühlen könnten, ihren Mitmenschen nicht weiter zur Last zu fallen. Innenminister Bruno Retailleau warnte vor einer „Legalisierung der Euthanasie“. „Mit einem solchen Gesetz würde es einfacher, den Tod zu verlangen als geheilt zu werden“, zitiert AFP Retailleau.
Nationalversammlung will über Gesetz am 27. Mai abstimmen
Die entscheidende Abstimmung in der Nationalversammlung ist für den 27. Mai geplant. Anschließend muss sich der Senat mit dem Gesetz befassen. Sollte es verabschiedet werden, würde es „die bedeutendste gesellschaftliche Reform der zweiten Amtszeit Macrons darstellen“, so AFP.
In Frankreich ist die aktive Sterbehilfe bisher verboten. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden die gesetzlichen Regelungen mehrfach überarbeitet. Seit 2016 dürfen Ärzte unheilbar Kranken im Endstadium stark schmerzlindernde Medikamente verabreichen, welche das Sterben beschleunigen können. Nach Angaben des Verbands für Palliativpflege sterben in Frankreich täglich 500 Menschen, die keinen Zugang zur Palliativmedizin haben, obwohl sie diesen bräuchten. (DT/reh)
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