Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Gesetzespaket aufgeschnürt

Sterbehilfe ist keine Pflege

Frankreichs neuer Premierminister will Palliativmedizin und Sterbehilfe in zwei verschiedenen Gesetzen behandeln. Harsche Kritik kommt aus der linken Opposition.
Frankreichs Premierminister Francois Bayrou
Foto: IMAGO/Telmo Pinto (www.imago-images.de) | François Bayrou will das Gesetzespaket, das unter seinem Vorvorgänger im letzten Frühjahr geschnürt wurde, wieder auseinandernehmen – zur Freude der Palliativmediziner und zum Ärger der linken Opposition.

Frankreichs neuer Premierminister eröffnet ein weiteres Kapitel in der nicht enden wollenden Debatte um die aktive Sterbehilfe. François Bayrou will das Gesetzespaket, das unter seinem Vorvorgänger im letzten Frühjahr geschnürt wurde, wieder auseinandernehmen – zur Freude der Palliativmediziner und zum Ärger der linken Opposition. Seit Dezember ist der Vorsitzende der Mitte-Partei „Mouvement démocrate“ Frankreichs Regierungschef. Auf seinen Wunsch sollen in der laufenden Legislaturperiode zwei neue Gesetze das Licht der Welt erblicken, eines zur Palliativpflege und eines zur Sterbehilfe.

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Warum Bayrou mit diesem Vorschlag die Befürworter einer Legalisierung von assistiertem Suizid und aktiver Sterbehilfe – auch Euthanasie genannt – gegen sich aufbringt? Schon 2022/2023 erarbeitete ein von Emmanuel Macron einberufener Bürgerkonvent einen Vorschlag zur Legalisierung der Sterbehilfe bei gleichzeitigem Ausbau der Palliativpflege. 2021 hatte eine Senatskommission festgestellt, dass in Frankreich nur einer von drei Patienten, der Palliativpflege benötigt, diese auch erhält. Dem Bürgerkonvent versprach Emmanuel Macron ein „französisches Modell“ der Sterbehilfe, das Anfang 2024 als Gesetzesentwurf in die Nationalversammlung gelangte. Der Text umfasste gleichzeitig den Ausbau der Palliativmedizin, aber auch die Legalisierung einer „aktiven Hilfe beim Sterben“ – konkret assistierter Suizid und in Ausnahmefällen Euthanasie.

Trennen, was getrennt gehört

Der Entwurf brachte die Gegner einer Legalisierung von assistiertem Suizid und Sterbehilfe in die Verlegenheit, entweder mit der Sterbehilfe auch den Ausbau der Palliativmedizin ablehnen zu müssen, oder eben beides zu akzeptieren. Nun wird getrennt, was getrennt gehört, freut man sich in den Reihen der Palliativmediziner und der Gegner der Sterbehilfe. „Euthanasie, assistierter Suizid und Palliativmedizin sind zwei verschiedene Projekte, und die Priorität sollte der Zugang aller zur Versorgung sein. Linderung zu wünschen und sterben zu wollen, ist nicht das gleiche Anliegen", begrüßte Claire Fourcade, Präsidentin der Französischen Gesellschaft für Palliativbegleitung und -pflege den Vorstoß Bayrous, der sich persönlich in der Vergangenheit ablehnend gegenüber der Sterbehilfe geäußert hat. 

„Ein Gesetz über Palliativmedizin könnte sehr breit und vielleicht sogar einstimmig verabschiedet werden“, schätzt die Medizinerin. Auch das Pflege-Kollektiv „Soins de vie“ begrüßte den Vorschlag, da sie die Gefahr sieht, dass ein „öffentlicher Dienst für den Tod“ dort herhalten muss, wo das öffentliche Gesundheitswesens versagt. Die Gruppe besteht aus 19 Fachgesellschaften der Palliativmedizin, Krankenpflege, Geriatrie, Psychiatrie und Onkologie.

Andere sind allerdings weniger optimistisch: „Wir brauchen kein Gesetz über die Palliativmedizin, sondern Geld, um sie zu entwickeln“, meint der frühere Europaminister Jean Leonetti, der an der Erstellung des aktuell geltenden Gesetzes zum Lebensende beteiligt war, das aktive Sterbehilfe ausschließt. 

Kontinuum zwischen Palliativpflege und Sterbehilfe?

Harsche Kritik kommt aus den Reihen der Abgeordneten, die den früheren Vorschlag zum Sterbehilfegesetz vorangetrieben haben. Der Premierminister radiere „den Willen des Bürgerkonvents, der Parlamentarier und das Engagement von Emmanuel Macron aus. Das geht gar nicht“, ärgerte sich die ehemalige Gesundheitsministerin Agnès Firmin-Le Bodo gegenüber BFMTV. 

Für den Sozialisten Olivier Falorni, Berichterstatter des letzten Gesetzesvorschlags, besteht ein Kontinuum zwischen Palliativpflege und Sterbehilfe: „Die Begleitung am Lebensende ist ein zusammenhängendes Ganzes, das in seiner Gesamtheit bearbeitet werden muss, das heißt unter Berücksichtigung der wichtigsten Antwort, der Palliativmedizin, und der letzten Zuflucht, der Hilfe beim Sterben“, kritisierte er die Trennung der beiden Anliegen. Die Vorsitzende der Nationalversammlung Yaël Braun-Pivet erwartet, dass die Regierung und der Premierminister den ursprünglichen Text möglichst rasch und „in seiner Gesamtheit wieder in die Nationalversammlung einbringen“.

Konkret soll nun zunächst ein Gesetzesentwurf zum Ausbau der Palliativmedizin diskutiert und beschlossen werden, während gleichzeitig ein Text zur Sterbehilfe geprüft werden soll. Offen ist bisher, ob Bayrous Regierung die Gesetzesvorlagen einbringen wird oder ob das Parlament Vorschläge erarbeiten soll. Dies und auch der Zeitplan soll in den nächsten Wochen bekanntgegeben werden.  DT/fha

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