Aserbaidschan setzt seine Angriffe auf die armenisch besiedelte Kaukasusregion Berg-Karabach (Arzach) auch am Mittwoch unvermindert fort. In einem Telefonat mit US-Außenminister Antony Blinken erklärte der diktatorisch regierende Präsident Aserbaidschans, Ilham Alijew, der Militäreinsatz werde erst beendet, wenn die Karabach-Armenier ihre Waffen niederlegen. Die russischen Friedenstruppen, die zum Schutz des fragilen, von Moskau 2020 verhandelten Waffenstillstands in der Region stationiert wurden, zogen sich am Dienstag noch vor Beginn der aserbaidschanischen Angriffe von ihren Stellungen zurück. Moskau forderte Armenien und Aserbaidschan dazu auf, die Waffen niederzulegen.
Armenier sind "am Rande ihrer Kräfte"
Aber auch die EU-Mission und viele internationale Beobachter täten nichts, meint die österreichische Armenologin Jasmine Dum-Tragut gegenüber der „Tagespost“. Dum-Tragut, die derzeit in Armenien unterwegs ist, sagt, die Armenier seien „am Rande ihrer Kräfte“. Nach einer „menschenverachtenden neunmonatigen Blockade mit physischer und psychischer Belastung“ gebe es nun einen offenen Bruch des Waffenstillstands mit bisher 27 Todesopfern und 200 Verletzten. Die aserbaidschanischen Truppen hätten am Dienstag das Kloster Amaras aus dem 4. bis 5. Jahrhundert besetzt, „die Urzelle des armenischen Christentums und der Christianisierung Karabachs, eine der heiligsten Stätten des armenischen Christentums“, so die Armenologin gegenüber dieser Zeitung. „Und die internationale Welt schaut weiterhin zu, oder weg.“ Dum-Tragut fordert ein internationales Eingreifen.
Neun Monate lang habe Aserbaidschan versucht, die armenische Bevölkerung in der Region durch die Blockade des Lachin-Korridors auszuhungern, nun folge die Bombardierung, so der Zentralrat der Armenier in Deutschland. „Russland trägt als Garant der trilateralen Erklärung die Hauptverantwortung dafür, Aserbaidschan zu stoppen. Aber auch Deutschland und die EU müssen endlich effektive Instrumente wie Sanktionen gegenüber Aserbaidschan einsetzen, um ein erneutes Blutbad und die Vertreibung der Armenier aus Berg-Karabach zu verhindern“, so der Zentralrat. Baku betreibe eine Politik der ethnischen Säuberung.
Etwa 4.000 Menschen starben beim letzten Krieg in der Region 2020. Damals gelang es Aserbaidschan, einen Teil des Territoriums von Berg-Karabach zu erobern. Heute leben rund 120.000 Armenier in der „Republik von Arzach“. Wegen der mehrmonatigen Blockade kam es bereits zu Hungertoten. DT/sba
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