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Ein durchsichtiges Manöver

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will künftig allein über den Genesenenstatus entscheiden. Was voraussichtlich dahinter steckt und warum das keine so gute Idee ist.
Karl Lauterbach
Foto: Britta Pedersen (dpa-Zentralbild) | Der „Bild“-Zeitung sagte Lauterbach: „Über tiefgreifende Entscheidungen wie etwa den Genesenenstatus möchte ich selbst und direkt entscheiden.“

Bei dem heute stattfindenden Bund-Länder-Treffen wollen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten der Länder über Lockerungen der Corona-Schutzmaßnahmen beraten. Ein Drei-Stufen-Plan sieht den Wegfall sämtlicher Beschränkungen bis zum 20. März vor. Einzige Ausnahme: Die Maskenpflicht.

Auf der Agenda steht außerdem eine Änderung der „Schutzmaßnahmen-Ausnahmen-Verordnung“ (SchAusnahmV). Auf Wunsch von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) soll darin die Delegation der Festlegungen des Geimpft- und Genesenenstatus durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und das Robert-Koch-Institut (RKI) zurückgenommen werden. Der „Bild“-Zeitung sagte Lauterbach vorab: „Über tiefgreifende Entscheidungen wie etwa den Genesenenstatus möchte ich selbst und direkt entscheiden.“ Andernfalls trage er „die politische Verantwortung für das Handeln anderer“.

Normalfall, kein Unfall

Was auf den ersten Blick Führung suggerieren mag, deren angebliches Fehlen die Opposition der Ampelregierung seit Wochen genüsslich vorwirft, offenbart in Wirklichkeit ein merkwürdiges Amtsverständnis. Denn dass ein Minister die politische Verantwortung für das Handeln anderer und insbesondere für die Entscheidungen trägt, die von Behörden getroffen werden, die seinem Haus nachgeordnet sind, ist in der Demokratie der Normalfall und weder ein Unfall noch eine Fehlkonstruktion.

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Sollte die Mitte Januar praktisch über Nacht bekanntgegebene Entscheidung der Verkürzung des Genesenenstatus von sechs auf drei Monaten, für welche das RKI anschließend heftig kritisiert worden war, tatsächlich ohne Wissen des Bundesgesundheitsministers erfolgt sein, wie Lauterbach stets behauptete, dann wären eigentlich die Kommunikationswege zu klären und zu optimieren, anstatt das Verweisrecht zu beschneiden, mit dem Bund und Länder die Behörden ausgestattet hatten.

Lektion gelernt?

Daher spricht viel dafür, hinter dieser Aktion etwas ganz anderes zu vermuten. Um die einrichtungsbezogene Impfpflicht durchsetzen zu können, braucht Lauterbach die Kooperation der Länder. Und um eine allgemeine Impfpflicht beschließen zu können, muss er – Stand heute – auch Teile der Union auf seine Seite ziehen. Dafür bestraft er jetzt das RKI, an dem die unionsregierten Länder und auch der Koalitionspartner FDP massiv Kritik übten.

„Lektion gelernt“, soll das wohl dokumentieren. Doch dass dieses Kalkül aufgeht, darf man bezweifeln. Denn in dem Maße, in dem Lauterbach Kompetenzen an sich zieht, wird er auch einsamer und zur alleinigen Zielscheibe. Auch für Heckenschützen aus den eigenen Reihen. „Minister kommen, Minister gehen, wir bleiben“, lautet nicht umsonst ein Spruch, der sich unter hochrangigen Beamten besonderer Beliebtheit erfreut.

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