Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Weihnachten in Syrien

Ein brennender Weihnachtsbaum als Vorbote?

Syriens Christen wissen nicht, welches Schicksal sie erwartet, schreibt der melkitische Priester Hanna Ghoneim.
Weihnachtsfeierlichkeiten in Damaskus
Foto: IMAGO/Abd Rabbo Ammar/ABACA (www.imago-images.de) | Noch scheint die Situation offen, doch viele Syrische Christen sind nach der islamistischen Machtübernahme nachhaltig beunruhigt. Im Bild Weihnachtsfeierlichkeiten in Damaskus.

In Syrien fiel am 8. Dezember nach 54 Jahren das Regime der Familie Assad. Islamisten übernahmen die Macht. Pater Hanna Ghoneim, ein syrischer Priester der mit Rom unierten melkitischen Kirche, der zwischen Wien und seiner Heimatstadt Damaskus pendelt, unterstützt die syrischen Christen seit Jahren mit seinem Hilfswerk „Korbgemeinschaft“. In seinem aktuellen Weihnachtsbrief, den wir leicht gekürzt dokumentieren, schreibt er über die Hoffnungen und die Ängste der syrischen Christen.

Wie geht’s in Syrien? Diese Frage höre ich bei jedem Telefonat und bei jeder Begegnung. Wie ist die Situation der Christen in Syrien, nachdem die Islamisten, die früher auch vom Westen als Terroristen gebrandmarkt wurden, Assad und sein furchtbar korrupt gewordenes politisches System gestürzt und die politische Macht vor etwa zweieinhalb Wochen übernommen haben?

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Was in Syrien geschieht, kann ich schwer beschreiben. Bis jetzt denke ich, ich sei in einem Traum. Was ich erlebe, kann nicht realistisch sein. Das Regime wurde binnen weniger Tage von einem zusammengewürfelten Haufen Bewaffneter gestürzt. Die ganze Zeit hatten wir Angst, dass die Islamisten die Macht ergreifen, denn mit denen gibt es für die Christen kein Zusammenleben. Jetzt kommen ihre Anführer und führen Gespräche mit unseren geistlichen Führern.

Mit Unruhen ist zu rechnen

Die syrische Armee wurde durch einen Befehl der Militärobrigkeiten binnen weniger Tage aufgelöst, ebenso die Polizei. Israel bombardiert das ganze Waffenarsenal von Syrien, alle Raketen, Kampfflugzeuge, Schiffflotten, Waffenindustrien u.a. aus Angst, dass diese in die Hände des neuen „terroristischen Regimes“ fallen! Alle Gefängnisse Syriens sind nun leer. Was man darin vorgefunden hat, kann man mit Worten nicht beschreiben. Nur Bilder lassen das erahnen: furchtbare Bilder und Videos. 

Auf politischer Ebene geschehen jeden Tag viele Ereignisse. Viele politische Delegationen aus der Welt besuchen den Anführer der Revolution: Türkei mit Qatar, Frankreich, Großbritannien, USA, Saudi Arabien, Jordanien u.a. Auffällig war der Empfang des türkischen Außenministers: feste Umarmung, lange Gespräche, Besuch der Stadt Damaskus. Das deutet darauf hin, dass die Türkei nun der Herrscher in Syrien ist, nicht mehr die Iraner und die Russen. Ob der neue Herrscher nun tatsächlich die Türkei ist, werden wir noch sehen. Falls das der Fall ist, müssen wir mit Unruhen rechnen. 

Die Christen sind skeptisch

Für die Christen läuft das Leben derzeit nahezu normal. Manche denken, es ist besser geworden im Vergleich zu früher. Andere – das ist die Mehrheit – sehen die Entwicklungen im Land mit Skepsis. Die meisten Christen sind innerlich beunruhigt, obwohl die geistlichen Führer ständig für Beruhigung sorgen, so wie es die neue Regierung von ihnen fordert. Die Menschen sehen aber keinen Garant für die Ruhe. Sie sind immer noch besorgt.

Es passieren hin und wieder Anschläge gegen die Christen, verübt von Islamisten bei Tageslicht. Immer wieder sagen die christlichen Führer: „Das sind vereinzelte Fälle!“ Ein Vorfall vor drei Tagen in Skailabieh in der Umgebung von Hama: Ein Weihnachtsbaum wurde feierlich aufgestellt im Zentrum des christlichen Dorfes. Am nächsten Tag wurde der Baum von einem islamischen Extremisten in Brand gesetzt. Er wurde nach dem Grund gefragt und sagte, das ist Shirk (Politheismus). Das Video verbreitete sich über die sozialen Medien. 

Christus ist unser Retter und Beschützer

In der vorletzten Nacht gab es in Damaskus große Demonstrationen von Christen, die Kreuze getragen haben mit Rufen: „Erhebe dein Kreuz und fürchte dich nicht!“ oder „Wie schön ist der Tod am Holz unseres Kreuzes!“ und noch andere Rufe. Die Christen fürchten sich nicht. Sie wissen aber nicht, welches Schicksal sie erwartet. Hier möchte ich als Priester und Syrer etwas sagen: Wir Christen brauchen uns nicht zu fürchten, solange wir an Christus glauben. Er ist unser eigentlicher Retter und Beschützer.

Wir dürfen aber auf keinen Fall tatenlos bleiben. Wenn wir Gutes erhoffen, dann sollen wir alles daransetzen, diese Hoffnung in Taten umzusetzen. Diese turbulente Zeit lädt uns ein, das wahre Licht Christi zu zeigen. Die Christen in Syrien suchen dieses Licht. Geben wir ihnen dieses Licht, diese Hoffnung auf ein neues Syrien, das Jesus deutlicher erkennt. Die Christen haben viel zu tun. Mit Hilfe Gottes können sie Wunder vollbringen. Das ist meine Überzeugung, Erfahrung und auf jeden Fall Hoffnung.

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