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Die Verwechslung von Koch und Kellner

Was von den vermeintlichen „Privilegien“ für Geimpfte zu halten ist.
Impfpflicht Debatte
Foto: Wolfgang Kumm (dpa) | Ein Blick ins Grundgesetz zeigt: Geimpfte können in Deutschland nicht mehr Freiheiten haben als Ungeimpfte.

Sprache ist verräterisch. Das gilt auch für die von Kanzleramtsminister Helge Braun losgetretene Debatte um „Privilegien“ oder „Erleichterungen“ für Geimpfte oder die von anderen um eine mögliche Impfpflicht gegen COVID-19. Beide sind geeignet, auch Menschen mit ausgeprägter Selbstkontrolle die Haare zu Berge stehen zu lassen. Offenbaren sie doch eklatante Kategorienfehler des Denkens. Darunter solche, die Zweifel daran aufkommen lassen, dass alle Spitzenpolitiker noch wissen, welchem Staat sie eigentlich dienen.

Der Staat verleiht keine Freiheiten

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In der Bundesrepublik Deutschland geht laut Verfassung „alle Staatsgewalt vom Volke aus“ (vgl. Artikel 20, Absatz 2 GG). Auch verleiht der Staat seinen Bürgern keine „Freiheiten“, sondern erkennt an, dass diese Grundrechte besitzen. Ergo hat alles staatliche Handeln die Grundrechte der Menschen im Land zu beachten und zu respektieren. Das heißt nicht, dass die Regierungen in Bund und Ländern gar keine Eingriffe in Grundrechte beschließen dürften, wohl aber diese stets gut begründet, zweckmäßig und verhältnismäßig sein müssen Sie sind zu unterlassen, sobald die Gründe für sie entfallen.

Genesenen, Geimpften und negativ Getestete sind gleich zu behandeln

Geimpfte können daher – anderes als Helge Braun und Markus Söder meinen – auch nicht mehr Freiheiten haben, als Ungeimpfte. Sie können allenfalls weniger Einschränkungen dulden müssen. Das Mehr an Einschränkungen, das Ungeimpfte zu dulden hätten, bedarf aber einer guten Begründung. Und die fehlt derzeit. Unter anderem, weil keiner der zugelassenen Impfstoffe eine sterile Immunität gewährleistet, sondern nur den Geimpften gegen einen schweren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung zu schützen vermag. Deshalb geht von Genesenen, Geimpften und negativ Getesteten für die Allgemeinheit ein vergleichbares Infektionsrisiko aus. Wäre es anders, müssten Geimpfte ab sofort von der Maskenpflicht und dem Abstandhalten entbunden werden. Dies fordert erstaunlicher Weise aber niemand.

Das vergleichbare Infektionsrisiko erfordert Genese, Geimpfte und negativ Getestete gleich zu behandeln. Politiker, die meinen, sich dem entziehen zu können, verwechseln, wer in einer Demokratie Koch und Kellner ist und würdigen Bürger zu Untertanen herab. Sinnvoll diskutieren ließe sich nur, wer diese Tests bezahlt.

Lesen Sie eine ausführliche Analyse zur Diskussion um eine mögliche Impfpflicht in der kommenden Ausgabe der Tagespost.

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Stefan Rehder

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