Darf sich ein Christ gegen Covid-19 impfen lassen? Der Impfstoff wurde nicht nur zur Quelle der Hoffnung auf einen Ausweg aus der Pandemie, er wurde gleichzeitig zum Streitpunkt zwischen Politikern und zwischen Katholiken. Mein Großvater kehrte vor einigen Tagen von der Covid-Station zurück nach Hause. Im Krankenhaus verbrachte er einige Wochen und nach Worten der zuständigen Ärztin war es in den ersten Tagen seines Aufenthalts nicht klar, ob er es schafft.
Er hatte sich ein paar Tage vor einem geplanten Impftermin angesteckt. Für meinen Großvater und viele andere ist es also ein existenzielles Rennen um die Zeit. So sieht die Corona-Realität auf der ganzen Welt aus: Man versucht mithilfe der Maßnahmen und Impfungen, noch mehr Tote und ernsthaft Kranke zu vermeiden – in der Hoffnung, dass es bald gelingt, mithilfe eines hohen Anteils an Geimpften die rasche Verbreitung des Virus zu stoppen.
Zelllinien abgetriebener Kinder
Und dann hören wir Stimmen, wie jene des polnischen Vorsitzenden des Expertenteams für Bioethik, Bischof Wróbel, der kürzlich ein Statement verfasste, in dem er vor Vektor-basierten Impfstoffen, wie dem von AstraZeneca oder Johnson&Johnson warnt. Der Grund seien „ernsthafte moralische Einwände“ aufgrund deren biologischer Herkunft.
In den Vakzinen sollen Zelllinien verwendet worden sein, die von abgetriebenen Föten stammen. Diesem Argument gegen die Impfung widersprechen nicht nur zahlreiche Theologen, sondern auch die Glaubenskongregation, die in diesem Fall einen formellen Zusammenhang mit Abtreibungen ausschließt.
„Ein anderer Aspekt, der die Partizipation
am bösen Akt der Abtreibung ausschließt,
ist jener des zeitlichen Abstands“
Der konservative Publizist Roberto de Mattei betont in seinem Schreiben „Über die moralische Rechtmäßigkeit der Impfung“ ebenso den guten Zweck der Impfung und die fehlenden Argumente für ihre Klassifizierung als per se böse. Impfstoffe wurden nicht entwickelt, um zu töten, sondern um Leben zu retten. Ein anderer Aspekt, der die Partizipation am bösen Akt der Abtreibung ausschließt, ist jener des zeitlichen Abstands. Da die Abtreibung in einer fernen Vergangenheit stattgefunden habe, sei es für den Einzelnen unmöglich, mit einer solchen bereits abgeschlossenen Handlung zu kooperieren, sind sich de Mattei und viele Bioethik-Experten einig.
Das zweite Argument, das gegen die Zulässigkeit der Impfung spräche, wäre die Gefährdung der Gesundheit – die Risiken seien hoch und die Nebenwirkungen noch nicht bekannt. An dieser Stelle stellt sich de Mattei an die Seite der unzähligen Epidemiologen, Virologen und Spezialisten, die eine Impfung empfehlen, weil eine Nichtimpfung weitaus schlimmer als eine Impfung wäre. Ärzte, die diese Sicht nicht teilten, seien nur eine Minderheit. Der Streit sei letztlich kein moralischer, sondern ein wissenschaftlicher.
Gemeinwohl als oberste Maxime
Ähnlich wie bei anderen ethischen Dilemmata unserer Zeit gilt auch bei dem Thema der Impfung gegen Covid-19 der Schutz des Lebens und das Gemeinwohl als oberste Maxime. Die katholische Soziallehre hat immer schon das Gemeinwohl über das individuelle Wohl gestellt. Angesichts des enormen Nutzens der Vakzine für den Schutz des Lebens sind mögliche Risiken und moralische Einwände gegen diese nur sehr gering.
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