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Die Grünen sind sich nicht grün: Neomarxismus oder Naturschutz?

Der Vorstand der Jugendorganisation hat angekündigt, aus der Partei auszutreten und eine neue Bewegung zu gründen. Die „Bionade Bourgeoisie“ um Robert Habeck kann sich freuen.
Ricarda Lang und Robert Habeck
Foto: IMAGO/Chris Emil Janssen (www.imago-images.de) | Die aktuelle Führung – gemeint sind nicht die zurückgetretenen Lang und Nouripour, sondern Robert Habeck und seine Getreuen – vertreten das Modell „Bionade Bourgeoisie“.

Nach dem Paukenschlag nun auch noch ein Fanfarenstoß: Erst kündigte gestern der Bundesvorstand der Grünen seinen Rückzug an. Nun setzt die Führung der „Grünen Jugend“ noch einen drauf. Deren Vorstand will aus der Partei austreten und eine neue Bewegung gründen. „Wir merken, dass unsere inhaltlichen, aber auch strategischen Vorstellungen von Politik immer weiter auseinander gehen – und glauben, dass es mittelfristig keine Mehrheiten in der Partei für eine klassenorientierte Politik gibt, die soziale Fragen in den Mittelpunkt rückt und Perspektiven für ein grundsätzlich anderes Wirtschaftssystem aufzeigt“, schreiben sie in einer Erklärung. 

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Dass Jugendorganisationen radikaler ticken als ihre Mutterparteien ist der Normalfall. Sie verstehen sich in der Regel als die Gralshüter des ideologischen Kerns. Während die bürgerlichen Parteien gerne vergessen, dass auch sie eigentlich über so eine weltanschauliche Basis verfügen und deren Jugendorganisationen vor allem als Startrampe zur politischen Karriere dienen, gilt es im linken Spektrum immer noch als besondere Auszeichnung, als möglichst idealistisch und Nicht-Realpolitiker zu gelten. Freilich, das muss auch gesagt werden: Unabhängig davon, ob man die jeweiligen ideologischen Vorbehalte teilt, kann so eine Unangepasstheit zu interessanten Gedanken führen. 

Neomarxistisches Denken ist weiterhin en vogue

So ist es auch in diesem Fall: Denn die Anmerkung, man wolle für eine „klassenorientierte Politik“ eintreten, zeigt nicht nur, dass dort neomarxistisches Denken weiterhin en vogue ist, sondern zwingt die Partei auch, darüber nachzudenken, was für sie eigentlich „grün“ bedeutet. Die Partei ist der Neuen Linken der 70er Jahre erwachsen, gleichzeitig hatte sie aber, in ihrer Anfangszeit deutlich erkennbar, immer auch Konservative wie etwa Herbert Gruhl in ihren Reihen, bei denen der Naturschutz im Vordergrund stand.

Ob die linken Teile, die letztlich die politische Macht übernommen haben, den Naturschutz bloß instrumentalisiert haben, um ihre Umbaupläne der Gesellschaft durchzusetzen, bis heute noch tonangebend sind? Das sollte die grüne Gewissensfrage sein. Die aktuelle Führung – gemeint sind nicht die zurückgetretenen Lang und Nouripour, sondern Robert Habeck und seine Getreuen – vertreten das Modell „Bionade Bourgeoisie“. Heißt: Viel „moralistische“ Politik, damit man sich gut fühlt und sich zu den „Guten“ rechnen kann, gleichzeitig bourgeois leben.

Angebot für das hedonistische Bürgertum

Das ist keine Option für die neomarxistische Jugend, wie sich wieder zeigt, ist aber auch nicht attraktiv für Konservative, die an echtem Naturschutz interessiert sind. Es ist ein Angebot für das hedonistische Bürgertum, das zumindest in dem kurzen Moment an der Wahlurne seinen Hedonismus vergessen will. Das erklärt die immer noch guten Beliebtheitswerte für den Kanzlerkandidaten in spe, Robert Habeck, damit kann man auch bei dieser Klientel weiter Wahlerfolge erzielen. Aber ist das wirklich grün?

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Sebastian Sasse Herbert Gruhl Konservative Robert Habeck

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