Nicht wenigen Briten dürfte am Montag der Cream Tea aus der Hand geflogen sein, als ihnen das neueste politische Manöver aus Downing Street No. 10 verkündet wurde: Denn Premierminister Rishi Sunak entledigte sich seiner glücklos agierenden Innenministerin und innerparteilichen Rivalin Suella Braverman, indem er mit einem vermeintlichen Paukenschlag seine Regierung umbildete.
Niemand Geringeres als David Cameron, Großbritanniens Premierminister von 2010 bis 2016, ist es, der künftig von Whitehall aus die außenpolitischen Geschicke Großbritanniens lenken soll – der bisherige Außenminister James Cleverly hingegen beerbt die geschasste Innenministerin.
Cameron ist kein „Blast from the Past“
Zur Personalie Cameron lässt sich sagen: Es ist äußerst ungewöhnlich, dass ein ehemaliger britischer Premierminister in prominenter Funktion in das Kabinett eines seiner Nachfolger zurückkehrt. Hinzukommt, dass Cameron seit seinem Rücktritt im Jahr 2016 nicht mehr im Unterhaus sitzt – und da nur Parlamentsmitglieder Minister werden können, musste ihn König Charles III. auf Antrag Sunaks kurzfristig zum Lord ernennen und ins Oberhaus berufen. Zahlreiche Landsleute Camerons dürften dies mit einem „Oh Lord!“ quittieren – jedoch aus anderen Gründen als diejenigen, welche dem früheren Premierminister lieb sein dürften.
Denn sowohl David Cameron als auch seine Regentschaft lösen in Großbritannien weder Nostalgiegefühle noch Erinnerungen an bessere Zeiten aus: Vielmehr schließt sich eine Art Kreis des Grauens, den Cameron, obwohl eigentlich EU-Befürworter, mit der Initiierung des 2016 abgehaltenen Brexit-Referendums in Gang setzte. Die Folgen dessen sind bekannt.
Endspiel für die Tories
Mit dem Comeback des Brexit-Ermöglichers und ausgesprochenen China-Freundes Lord Cameron in der ersten Reihe von Großbritanniens Politik widerspricht sich dessen Nach-Nachfolger Sunak selbst: Denn eigentlich war er hinsichtlich der Wahlen im kommenden Jahr als derjenige angetreten, der einen Bruch mit 13 Jahren weitestgehend misslungener Tory-Regierungspolitik vollziehen wollte.
Nun allerdings hat der amtierende Premier und Tory-Vorsitzende, dessen Partei in Umfragen bis zu 20 Prozent hinter Labour zurückliegt, nicht nur den Bock zum Gärtner gemacht – sondern legt gnadenlos den personellen Zustand der Regierungspartei offen. Dass er möglicherweise den rechten Parteiflügel der Partei mit seiner Personalentscheidung vor den Kopf stößt, dürfte er in Kauf nehmen – Hauptsache, es kann nunmehr in Ruhe zu Ende regiert werden, bis das Endspiel der glücklosen Tories endgültig abgepfiffen wird.
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