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Verbot von Leihmutterschaft: „Das Gesetz soll abschrecken“

Italiens Familienministerin Eugenia Roccella erläutert im „Tagespost“-Interview, wie Italien gegen Leihmutterschaft vorgeht.
Die italienische Familienministerin Eugenia Roccella
Foto: IMAGO/Alessandra Carli / LiveMedia (www.imago-images.de) | Die italienische Familienministerin Eugenia Roccella lehnt Leihmutterschaft ab.

Leihmutterschaft ist in Italien verboten. Aktuell debattiert das Parlament einen neuen Gesetzentwurf, der auf Paare zielt, die das heimische Leihmutterschaftsgesetz im Ausland umgehen wollen. Leihmutterschaft könnte künftig auch dann bestraft werden, wenn sie von italienischen Staatsbürgern im Ausland in Anspruch genommen wird. Bei der internationalen Konferenz zur weltweiten Abschaffung der Leihmutterschaft in Rom Anfang April verteidigte Familienministerin Eugenia Roccella das geplante Gesetz. Eugenia Roccella (Jahrgang 1953) ist Mitglied in der von Giorgia Meloni angeführten Partei Fratelli d'Italia. Sie ist die Tochter des Gründers des sozialistischen Partito Radicale, der Roccella selbst lange Zeit angehörte. Seit den 1970er Jahren wandelte sich die konservative Feministin von einer überzeugten Abtreibungsbefürworterin zur Abtreibungsgegnerin. 

Frau Ministerin Roccella, bereits im Juli 2023 wurde der Gesetzesvorschlag zur Änderung des geltenden Leihmutterschaftsgesetzes in der Abgeordnetenkammer verabschiedet. Sind Sie zuversichtlich, dass auch der Senat dem Vorschlag zustimmen wird?

Ich bin nicht nur zuversichtlich, ich bin mir sicher. Die Abstimmung im Senat kam bisher allein aufgrund des hohen Rückstaus an zu verabschiedenden Gesetzen noch nicht zustande. Aber in ein paar Monaten haben wir das Gesetz.

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Ist es rechtlich überhaupt möglich, eine Handlung zu bestraften, die dort, wo sie begangen wurde, gar keine Straftat war?

Nach italienischem Recht ist das möglich. Es gibt bereits ähnliche Regelungen für im Ausland durch italienische Staatsbürger begangene Straftaten, die dann in Italien strafrechtlich verfolgt werden.

Kritiker bezeichnen den Entwurf als ein Anti-LGBT-Gesetz, weil homosexuelle Paare, die ein durch Leihmutterschaft geborenes Kind als ihr eigenes anerkennen lassen wollen, viel leichter zu identifizieren seien als heterosexuelle Paare.

Das Gesetz soll zunächst eine Abschreckungswirkung haben. Die Strafen sind hoch und sollen alle, die eine Leihmutterschaft im Ausland erwägen, davon abhalten, unabhängig davon, ob es sich um ein homosexuelles oder heterosexuelles Paar handelt. Wie die Straftat im Einzelnen identifiziert und aufgespürt wird, ist dann eine andere Sache, nämlich die der Polizei und der Ermittlungsbehörden.

"Die Strafen sind hoch und sollen alle, die eine
Leihmutterschaft im Ausland erwägen, davon abhalten,
unabhängig davon, ob es sich um ein
homosexuelles oder heterosexuelles Paar handelt"

Ebenfalls im Vorjahr machte Italien von sich reden, als die Regierung die italienischen Behörden anwies, keine Geburtsurkunden mehr für Kinder von gleichgeschlechtlichen Eltern auszustellen.

Hier muss man genau hinschauen: Die Regierung hat im Grunde gar nichts getan. Der Innenminister hat die Bürgermeister lediglich in einem Rundschreiben an ein Urteil des Obersten Gerichtshofs erinnert, laut dem eine im Ausland durch Leihmutterschaft begründete Elternschaft keine automatische Anerkennung in Italien erfährt. Auch wenn auf der ausländischen Bescheinigung Herr und Frau X als Eltern des Kindes eingetragen sind, wird das Paar dadurch in Italien nicht automatisch als rechtliche Eltern anerkannt.

Stattdessen?

Stattdessen muss das Paar den Weg der Stiefkindadoption gehen, der hetero- und homosexuellen Paaren gleichermaßen offensteht. Der biologische Elternteil des im Ausland durch Leihmutterschaft geborenen Kindes wird durch die italienischen Behörden sofort als Elternteil anerkannt und kann sein Kind damit beim Standesamt anmelden. Das Kind hat also sofort alle Rechte wie alle anderen italienischen Kinder, denn die Rechte des Kindes hängen nicht von der Anzahl seiner Eltern ab. Der zweite Wunschelternteil, egal ob homo- oder heterosexuell, muss die Stiefkindadoption durchlaufen, wie es für alle der Fall ist, die das Kind ihres Partners als ihr eigenes annehmen wollen.

Viele Medien sprachen von einem gezielten Vorgehen der italienischen Regierung gegen „Regenbogenfamilien“.

Was auch daran lag, dass manche Bürgermeister genau dies behauptet haben. Aber das ist schlichtweg falsch. Wenn ich als alleinerziehende Mutter ein verwaistes oder vaterloses Kind habe, ich dann heirate und möchte, dass mein Mann Vater dieses Kindes wird, dann müssen wir eine Stiefkindadoption durchführen. So wird das schon seit vielen Jahren gehandhabt und war noch nie ein Problem. Die Stiefkindadoption für alleinerziehende Elternteile gilt für alle. Das ist kein Skandal. Die LGBT-Gemeinde fordert hier für sich etwas – nämlich eine automatische Anerkennung des nicht-biologischen Elternteils –, das es für heterosexuelle Paare nicht gibt.

"Die Stiefkindadoption für alleinerziehende
Elternteile gilt für alle. Das ist kein Skandal"

Ist mit einem italienischen Gesetz das Thema Leihmutterschaft für Sie erledigt oder ist eine Konzertierung auf europäischer Ebene notwendig?

Unser geplantes Gesetz ist der erste Schritt in Richtung eines gemeinsamen internationalen Ansatzes. Denn unser Gesetzesvorschlag nimmt bereits zur Kenntnis, dass Leihmutterschaft nicht allein ein nationales Problem ist und zielt darauf, sie auch dann zu bestrafen, wenn sie im Ausland in Anspruch genommen wird. Wenn weitere Länder den gleichen Weg gehen, dann wäre das der erste Schritt in Richtung eines weltweiten Verbots.

Haben Sie denn in Europa Verbündete?

Ich weiß es nicht, bin aber überzeugt, dass wir gemeinsam mit feministischen Bewegungen, die die Kommerzialisierung der Mutterschaft nicht akzeptieren, eine große Allianz entstehen lassen müssen. Ich glaube, wir können unser Ziel erreichen, wenn wir uns zusammenschließen und Gesetze wie das italienische, das auch internationale Auswirkungen hat, vorantreiben. Aber es ist ein Kampf, in einer Reihe mit allen anderen Kämpfen der Frauen.

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