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CDU/CSU-Fraktion fordert Sexkaufverbot in Deutschland 

Menschenhandel und Zwangsprostitution verhindern, menschen- und frauenverachtende Strukturen sprengen: Ein CDU/CSU-Papier fordert einen Paradigmenwechsel der Prostitutionsgesetzgebung.
Große Freiheit
Foto: IMAGO/Jürgen Held (www.imago-images.de) | Auf der Reeperbahn Nachts um halb eins - und an anderen Brennpunkten der Prostitution geht es für die Frauen eben nicht selbstbestimmt zu.

In einem diese Woche veröffentlichten Positionspapier kritisiert die CDU/CSU-Fraktion das herrschende Prostitutionsgesetz scharf und spricht sich für die Einführung des sogenannten „Nordischen Modells“ aus. Dieses beruht auf der Bestrafung von Freiern und Zuhältern bei gleichzeitiger Straffreiheit für Prostituierte. Das aktuell geltende Prostitutionsgesetz habe Menschenhandel und Zwangsprostitution Vorschub geleistet und fördere ein frauenverachtendes Menschenbild, das Frauen zu Objekten degradiere, so das Urteil der Fraktion. Im September hatte bereits das EU-Parlament das System der Prostitution als „von Natur aus gewalttätig, diskriminierend und zutiefst unmenschlich“ kritisiert und die EU-Mitgliedstaaten zu schärferem Vorgehen ermahnt.

Drastisch verschlechtert

Das CDU/CSU-Positionspapier fordert nun ein Dreisäulenmodell, das sich am „Nordischen Modell“ orientiert, welches in Ländern wie Schweden und Frankreich bereits für einen weitgehenden Rückgang von Prostitution und Menschenhandel gesorgt habe. Aufklärungs-, Präventions- und Ausstiegsprogramme intensivieren, Bestrafung von Sexkauf bei gleichzeitigem Schutz der Opfer sowie eine Stärkung von Polizei und Justiz bei der Durchsetzung lauten die drei Säulen. 

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Seit dem Prostitutionsgesetz von 2002 habe sich die Lage der Prostituierten in Deutschland drastisch verschlechtert, die Bundesrepublik sei zudem für Freier aus vielen Regionen Europas „zum Magneten“ geworden und sei „seit Jahren als Zielland von Sextourismus bekannt und wird als solches offiziell im Ausland beworben“, beobachtet die Fraktion mit Sorge. Das Ziel des von der damaligen rot-grünen Koalition beschlossenen Gesetzes, Prostituierte besser zu schützen und sozial abzusichern, sei jedoch, so das Positionspapier, weit verfehlt worden. „Unter dem Schutzmantel der vom Gesetzgeber geschaffenen Legalität der Prostitution konnte sich ein Handel mit Menschen unkontrolliert ausbreiten“, stellt die CDU/CSU-Fraktion fest.

„Es gibt zwar in geringen Teilen auch die selbstbestimmte und legale Prostitution. Den überwältigenden Mehrheitsanteil (Schätzungen zufolge 85 bis 95%) aber macht die unfreiwillige Armuts- und Elendsprostitution aus, die von Täuschung, Drohung und völliger Abhängigkeit von Zuhältern geprägt ist, nicht selten begleitet von Straftaten wie Menschenhandel und Zwangsprostitution.“ Mit Zuhälterei, Zwangsprostitution und Menschenhandel würden in Deutschland jährlich mehr finanzielle Geschäfte gemacht als mit Waffen- oder Drogenhandel, so das Positionspapier.

Kein normaler Beruf

Auch das 2016 eingeführte Prostitutionsschutzgesetz habe daran nicht viel geändert, da die Schutzvorschriften größtenteils ins Leere liefen, beobachten die CDU/CSU-Politiker. Von geschätzten mindestens 250.000 Prostituierten seien Ende 2022 lediglich 28.280 Prostituierte bei den Ordnungsbehörden gemeldet gewesen. „Das Narrativ vom „Beruf wie jeder andere“ von Prostituierten mit eigenem Konto, eigener Wohnung, Kranken-, Renten- und Sozialversicherung ist damit eindeutig widerlegt“, urteilt die Fraktion. „Für eine sechsstellige Zahl von Frauen und Mädchen besteht eine faktisch totale Abhängigkeit von den Zuhältern, die auf emotionaler Manipulation, Täuschung, Drohung und nicht zuletzt massiver Gewalt beruht.“ Folgen seien Traumatisierungen und gravierende irreversible körperliche Schäden.

Das Positionspapier entgegnet außerdem den Argumenten der Gegner des „Nordischen Modells“. Der Vorwurf, dass Prostitutionsanbahnung durch ein Sexkaufverbot ins Dunkelfeld verdrängt werde, laufe ins Leere, da schon heute der größte Teil der Prostitution de facto im Dunkelfeld stattfinde. Zweitens verwiesen Kritiker eines Sexkaufverbotes vor allem auf die freie sexuelle Selbstbestimmung und Berufsausübung als Grundrecht, das sie bei einem Sexkaufverbot verletzt sehen.

Leid ignoriert

„Diese Sichtweise ignoriert das Leid der ungleich größeren Gruppe von Prostituierten, die nicht selbstbestimmt arbeiten, die keine Grenzen setzen können und der Ausbeutung durch Zuhälter und Freier ausgeliefert sind.“ Auch hätten sich – entgegen anderslautenden Behauptungen – die Arbeitsbedingungen für Prostituierte in den Ländern mit einem Sexkaufverbot nicht verschlechtert. „Erfahrungsberichte von Beratungsstellen aus Schweden zeigen, dass die weiterhin tätigen Prostituierten eine wesentlich bessere Verhandlungsposition gegenüber den Freiern haben.“ DT/fha

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