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Assistierter Suizid: Frankreichs Bürgerkonvent legt Abschlussbericht vor

Eine Mehrheit spricht sich dafür aus, das Gesetz für aktive Sterbehilfe zu öffnen. Macron will fertigen Gesetzesentwurf bis Ende des Sommers.
Frankreichs Präsident Macron
Foto: Ludovic Marin (AFP POOL/AP) | Am Montagnachmittag übergeben die Teilnehmer des Konvents ihren Abschlussbericht an Präsident Emmanuel Macron.

Nach viermonatiger Arbeit hat der französische Bürgerkonvent zum Lebensende am Sonntag seinen Abschlussbericht verabschiedet. Darin spricht sich eine Mehrheit der Teilnehmer für eine Öffnung des Gesetzes in Richtung der aktiven Sterbehilfe in Form von assistiertem Suizid und/oder Euthanasie aus. Am Montagvormittag übergaben die Teilnehmer des Konvents ihren Abschlussbericht an Präsident Emmanuel Macron. Dieser will bis zum Ende des Sommers einen Gesetzesentwurf zum Lebensende stehen haben. Macron hatte bereits letztes Jahr für 2023 eine Aktualisierung des geltenden Gesetzes in Aussicht gestellt.

Gültiges Gesetz unzureichend bekannt

Das Gremium aus zufällig gemäß bestimmten Repräsentativitätskriterien ausgewählten Bürgern hatte den Auftrag, in neun dreitägigen Wochenendsitzungen zu einer von Premierministerin Elisabeth Borne gestellten Frage zu arbeiten: „Ist der Rahmen für die Sterbebegleitung an die unterschiedlichen möglichen Situationen angepasst oder braucht es eventuelle Änderungen?“ Der mit einer großen Mehrheit von 92 Prozent angenommene 90-seitige Abschlussbericht gibt eine doppelte Antwort. Die Teilnehmer des Bürgerkonvents monieren fast einmütig, dass das gültige Gesetz Claeys-Leonetti vom 2. Februar 2016 nur unzureichend bekannt sei und kaum angewendet werde. Daher fordern sie einen intensiven Ausbau der Palliativmedizin aus, um allen Bürgern einen Zugang zu einer umfassenden Sterbebegleitung zu ermöglichen. Lediglich 30 Prozent der Franzosen, die Palliativsorge benötigen würden, haben laut einem aktuellen Senatsbericht tatsächlich Zugang dazu.

Für eine Mehrheit von 75 Prozent biete der aktuelle Rahmen jedoch für bestimmte Situationen keine zufriedenstellende Antwort, weshalb sie sich für eine Öffnung der Gesetzgebung in Richtung der aktiven Sterbehilfe aussprechen. Wie genau diese aussehen soll, sind sich ihre Befürworter nicht einig. 39,9 Prozent der Konventsteilnehmer wünschen die Legalisierung von assistiertem Suizid und Euthanasie, während für 28,2 Prozent die Euthanasie eine Ausnahme bleiben soll. 9,8 Prozent sprechen sich für eine Legalisierung nur des assistierten Suizids aus, während drei Prozent einzig die Euthanasie legalisiert sehen wollen. 23,2 Prozent der Teilnehmer sprechen sich gegen eine Öffnung der aktuellen Gesetzgebung aus.

Tötungsakt durch medizinisches Personal begleitet

Der letzte Teil des Berichts widmet sich einem möglichen Parcours bis hin zum assistierten Suizid. Dieser beinhaltet eine freie und informierte Willenserklärung des Patienten, die jederzeit zurückgezogen werden kann, sowie seine psychologische und medizinische Evaluation. Anträge auf assistierten Suizid sollen von einem interdisziplinären Gremium geprüft, der Tötungsakt selbst durch medizinisches Personal begleitet werden. Der Bürgerkonvent spricht sich außerdem für eine Gewissensklausel aus, die Ärzten und medizinischem Personal die Möglichkeit gibt, jegliche Mitwirkung an einem assistierten Suizid zu verweigern.

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Ein Kollektiv aus 13 Berufsverbänden, die zusammen nach eigenen Angaben zwei Drittel des medizinischen Pflegepersonals in Frankreich vertreten, erklärten in Reaktion auf den Abschlussbericht: „Die Legalisierung eines in welcher Form auch immer medizinisch verabreichten Todes würde den Begriff der Pflege in sein Gegenteil verkehren.“

Eine Liberalisierung des Gesetzes sei außerdem ein sehr negatives Signal in Richtung der schwächsten Menschen der Gesellschaft und ihrem Umfeld. Bereits am 1. April hat die französische Nationale Ärztekammer erklärt, die Beteilung von Ärzten an der Euthanasie abzulehnen, „da der Arzt den Tod nicht absichtlich durch die Verabreichung eines tödlichen Mittels herbeiführen darf“. Die französischen Bischöfe bekräftigten während ihrer Frühjahrsvollversammlung in Lourdes letzte Woche ihre Ablehnung von jeglicher Form der aktiven Sterbehilfe.  DT/fha 

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