Nach den massiven Protesten mehrerer Hundert Demonstranten gegen die erste Vorlesung des Wirtschaftsprofessors und AfD-Mitbegründers Bernd Lucke seit dessen Rückkehr an die Universität Hamburg kommt es vermehrt zu Kritik an der Positionierung der Universitätsleitung sowie des Hamburger Senats.
"Undemokratischer Ungeist" an der Universität Hamburg
Der amtierende Vorsitzende der von Lucke zuletzt geleiteten Partei der „Liberal-Konservativen Reformer“ (LKR), Jürgen Joost, spricht in einem offenen Brief an den Präsidenten sowie den Kanzler der Universität und an die Wissenschaftssenatorin und zweite Bürgermeisterin der Hansestadt, die Grünen-Politikerin Katharina Fegebank, von einem „undemokratischem Ungeist“, der an der Universität Hamburg Platz ergriffen habe. Er beklagt, dass sich die Leitung der Universität nicht entschieden dagegen gewendet habe.
„Zu erwarten gewesen wäre eine entschiedene Stellungnahme für die Freiheit der Wissenschaft, für den vernunftgeleiten Diskurs gegen Intoleranz und Wahrheitsverdrehung sowie eine entschlossene Zurückweisung haltloser Beschuldigungen, ehrabschneidender Beleidigungen (,Nazischwein') und jedes Versuchs, einen Professor Ihrer Universität an der Ausübung seines Lehrauftrages zu hindern“, schreibt Joost.
Aktivisten beschimpfen Lucke und verhindern Vorlesung
Die Proteste des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) vergleicht Joost mit dem Verhalten und Vorgehen des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes. Die Aktivisten hatten im Hörsaal des Uni-Hauptgebäudes „Hau ab“ gerufen, einige bewarfen Lucke mit Papierkugeln. Ein junger Mann rempelte ihn an, eine Frau versuchte mehrmals seinen Laptop zuzuklappen.
Dass derartiges vorfallen würde, habe sich bereits länger abgezeichnet, so der LKR-Vorsitzende, und könne daher weder den Verantwortlichen an der Universität noch dem Hamburger Senat entgangen sein. „Es ist unerklärlich und unverständlich, dass Sie sich nicht eindeutig positioniert und mit Prof. Lucke solidarisch gegen die Attacken eines aggressiven, geschichtslosen, intoleranten Mobs gestellt haben.“
"Universitäten als Orte der Wissenschaft
müssen die diskursive Auseinandersetzung
auch über kontroverse gesellschaftliche
Sachverhalte und Positionen führen und aushalten"
Erklärung des Senats und der Universität
In der gesellschaftlichen und politischen Debatte werde gerne „Haltung“ eingefordert, so Joost weiter. „Nichts anderes erwarte ich von Ihnen. Sollte Ihnen dazu der Mut oder gar der Wille fehlen, bitte ich Sie eindringlich zu überdenken, ob Sie am richtigen Platz sind.“
Hamburgs Wissenschaftssenatorin Fegebank und der Universitätspräsident Dieter Lenzen hoben hervor, dass die Durchführung freier wissenschaftlicher Lehre zu den grundgesetzlich garantierten Pflichten und Rechten jedes Hochschullehrers gehöre. „Unabhängig davon ist festzustellen, dass Universitäten als Orte der Wissenschaft die diskursive Auseinandersetzung auch über kontroverse gesellschaftliche Sachverhalte und Positionen führen und aushalten müssen - insbesondere vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte.“
DT/mlu/dpa
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